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Wenn auch noch die eigene Katze demonstriert

Der Brutalität der Staatsmacht begegnen die Menschen mit Anekdoten. Minsker Tagebuch vom 28. 9. 20

Bei den Belaruss*innen ist jetzt ein ganz anderes Gefühl für Humor aufgekommen. „Wurden Sie auf einer Frauendemonstration festgenommen?“ „Oh ja doch. Männer in Uniformen haben uns auf Händen getragen. Sehr angenehm. Schade war jedoch, dass es in einen Autobus ohne Nummernschild ging und nicht über die Schwelle einer Kirche.“

„Die Sicherheitskräfte laufen jetzt entweder in schwarzen oder in sandfarbenen Uniformen herum. Wir nennen sie ‚Oliven‘. Ich weiß nicht, ob ich nach all diesen Geschehnissen überhaupt noch Obst und Gemüse essen kann. Allenfalls in einem Martini.“

In einem Chat: „Leute, habt ihr heißes Wasser?“ „Ich nicht, schon den dritten Tag nicht. Lauwarmes gibt es.“ Habt ihr bei der Kommunalverwaltung angerufen? Und was sagen sie? Macht ihnen mal Feuer unter dem Hintern. Denn Zeit, um Flaggen zu zerreißen, die haben sie ja. Aber mit dem Wasser gibt es schon das ganze Jahr Probleme.“ „Ihr müsst ihnen sagen, dass aus dem Hahn jetzt weiß-rot-weißes Wasser läuft.“

„Um die Ecke des Untersuchungsgefängnisses in der Okrestinastraße befindet sich die Klinik zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten. Ich weiß überhaupt nicht, was für einen rechtschaffenen Menschen peinlicher ist zuzugeben: ob er schon einmal in dem einen oder dem anderen Gebäude gewesen ist …“

„Ich habe eine weiße Katze zu Hause. Ich habe Rindfleisch ­geschnitten, sie hat sich ein Stück davon einfach geschnappt und ist damit lange durch die Wohnung gelaufen. Ich griff sie mir und schrie sie an: ‚Hey, du ­Demonstrantin, ich werde dich wegen deiner oppositionellen politischen Meinung festnehmen.‘ Und die Katze? Sie lachte mich aus auf ihre Art. Auf ‚Katzisch‘.“

Dem brutalen Vorgehen der Staatsmacht begegnet die Bevölkerung mit Humor. Solange die Menschen noch lachen können, sind sie unbesiegbar.

Janka Belarus

Aus dem Russischen: Barbara ­Oertel

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