TXL schließt endgültig: Das magische Sechseck
Als er gebaut wurde, war Tegel einer der modernsten Flughäfen Europas. Zuletzt war er allerdings ein Oldtimer, der unter der Last der Passagiere litt.
Das iPhone unter den Flughäfen der damaligen Zeit nennt Ortner den Flughafen Tegel, und das hat viel mit seiner ikonografischen Architektur zu tun. Als sich die Architekten Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und Klaus Nickels 1965 an dem vom Westberliner Senat ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligten, leisteten sie sich die künstlerische Freiheit, einen für die damalige Zeit idealen Flughafen zu entwerfen.
Dessen Kernstück war das Hauptterminal, das in Gestalt eines Sechsecks 14 Gates ermöglichte. Eine zentrale Gepäckaufgabe, Passkontrolle oder Personenkontrolle gab es nicht, alles fand am jeweiligen Gate statt. Im Terminal A, wie das Terminal heute heißt, war der Gedanke eines Flughafens der kurzen Wege bis zum Schluss erkennbar. Der Architekturkritiker Florian Heilmeyer spricht deshalb auch von einem „menschenfreundlichen Flughafen“.
Wenn vor Corona Gäste aus Europa oder aller Welt am Terminal A ankamen, fühlten sie sich oft zurückversetzt in eine Zeit, in der das Fliegen noch in den Kinderschuhen steckte. Und wenn sie sich dann in die überfüllten Busse der Linien TXL, X9, 128 oder 109 zwängten, wussten sie, wie das in Berlin in den sechziger und siebziger Jahren buchstabiert wurde – autogerechte Stadt.
Flughafenbaracken neben denkmalgeschütztem Kern
Flogen sie dann wieder nach Hause, stellten sie fest, dass sie hinter den Personenkontrollen keine glitzernde Shopping-Welt erwartete, sondern ein schnöder Wartebereich, in den, und das auch nicht überall, erst später einige Imbissbereiche gebaut wurden.
Die meisten der zuletzt 24 Millionen Fluggäste 2019 flogen aber nicht vom Terminal A, sondern von den Terminals C oder D, also den provisorischen Wellblechterminals von Easyjet und anderen Billigcarriern. Streng genommen war das schon nicht mehr Tegel, sondern eine Flughafenbaracke neben dem denkmalgeschützten Kern, der schon lange nicht mehr die Mehrzahl der Passagiere abfertigen konnte. Eher war das magische Sechseck der Luxusbereich, von wo die Lufthansa zum Beispiel ihre Geschäftskunden über die Flugsteige nach München oder Frankfurt am Main transportierte.
Gemessen am Verkehrsaufkommen war Tegel im letzten Flugjahr vor Corona die Nummer vier in Deutschland, nach Frankfurt, München und Düsseldorf. Von der Zahl der Berichte und Schlagzeilen her aber war er ganz sicher die Nummer eins, denn nirgendwo gingen so oft Koffer verloren oder Flieger zu spät an den Start als in TXL. Aus der Flughafen gewordenen Vision der autogerechten Halbstadt mit Anschluss an die weite Welt war ein Monster geworden, eine Zumutung. Und je länger die Eröffnung des BER auf sich warten ließ, desto mehr Tentakel bekam das Monster.
Es zeugt deshalb von Größe, wenn Meinhard von Gerkan, der Erschaffer des magischen Sechsecks, seiner Schließung nicht nachtrauert. Aber warum sollte er auch, hat er als Architekt des BER gleich auch den TXL-Nachfolger entworfen. Vielleicht geht sogar das mit dem letzten Flug nach Paris auf seine Kappe, denn der Jungfernflug auf Tegel kam ebenfalls von der Seine.
Also machen wir es kurz und schmerzlos. R. I. P., du alter Flughafen, von dem auch ich noch viele Geschichten erzählen könnte, zum Beispiel die, wie bequem es war, das Auto an der Quedlinburger Straße zu parken und dann mit einem Kurzstreckenticket und dem X9 zum Terminal A zu huschen. Das Gnadenbrot sei dir gegönnt, oder wie es die Berliner Flughafengesellschaft schnell noch plakatiert hat: „Du warst klein und hast Großes geleistet. #DankeTXL“.
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