Julia Klöckners „Systemwechsel“

Die Landwirtschaftsministerin hält den EU-Kompromiss zu den Agrarsubventionen für einen wichtigen Schritt zu mehr Ökologie. Umweltschützer aber sagen: Das meiste Geld bekommen die Bauern weiter ohne Gegenleistung

Wer viel davon hat, bekommt auch viel Geld vom Staat: Acker in Hessen Foto: Johannes Arlt/laif

Von Jost Maurin

Die EU-Agrarminister*innen haben sich am Mittwoch auf eine Reform der Landwirtschaftssubventionen geeinigt, die Umweltschützer scharf kritisieren. Die deutsche Ressortchefin, Julia Klöckner (CDU), die die Verhandlungen leitete, sprach von einem „Systemwechsel“ und einem „fundamentalen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit“: Dem Kompromiss zufolge dürfen die EU-Staaten den Bauern 20 Prozent der wichtigsten Subventionsart – der Direktzahlungen – künftig nur für „Eco-Schemes“ (Öko-Regelungen) genannte Leistungen überweisen. Bisher bekommen die Landwirt*innen das Geld pro Hektar Fläche, weitgehend unabhängig davon, wie sie darauf arbeiten. Die Grünen kontern, die Einigung sei so schwach, dass die Bauern nicht mehr für die Umwelt leisten würden.

Die Europäische Union zahlt jährlich rund 55 Milliarden Euro Subventionen für die Landwirtschaft. Das ist ungefähr ein Drittel des EU-Budgets. Dennoch gaben zum Beispiel in Deutschland von 2010 bis 2019 rund 11 Prozent der Höfe auf, vor allem kleine. Die Landwirtschaft verursacht 12 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes in der EU. Die Europäische Umweltagentur macht besonders diese Branche für das zunehmende Aussterben von Tier- und Pflanzenarten verantwortlich. Und die meisten Bürger*innen bemängeln die Haltungsbedingungen des Viehs.

Die Eco-Schemes sind eine Antwort auf diese Kritik. Nach dieser Regelung könnte etwa Deutschland Bauern mit EU-Geld dafür bezahlen, dass sie ihre Rinder auf klimafreundlichen Weiden halten – statt nur im Stall. Aber der Kompromiss lässt den Ländern auch viel Freiheit, was für Programme sie auflegen. Er verlangt nur, dass sie über die „relevanten“ Mindeststandards etwa für den Pestizideinsatz hinausgehen. Was mit „relevant“ gemeint ist, bleibt offen. Die Eco-Schemes sollen dem Text zufolge Umwelt und Klima nützen, aber die Agrarminister ergänzten, dass diese Programme auch dem „Wachstum“ der Wirtschaft dienen dürften. Diese Akzente könnten die EU-Kommission beeinflussen, wenn sie die Eco-Schemes der Mitgliedsländer vor Genehmigung kontrolliert. „Ich sehe in dem Rechtstext selber noch keine wirklich handfesten Kriterien, wie die Kommission das prüfen soll“, sagte Sebastian Lak­ner, Agrarprofessor der Universität Rostock, der taz. „Die Kommission hat keine Handhabe, um eine ganz hohe Messlatte anzusetzen.“

Denkbar ist, dass in einem Mitgliedsland zu wenig Bauern an den Eco-Schemes teilnehmen und etwas (oder alles) von dem nationalen Budget für diese übrig bleibt. Dann darf das Geld laut Kompromiss in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten der neuen Regeln für Projekte wie etwa den Bau neuer Ställe ausgegeben werden. Dabei wird diese Agrarreform wegen diverser Verzögerungen sowieso erst 2023 beginnen. Eigentlich sollten die alten Verordnungen schon 2021 auslaufen.

Klöckner hob hervor, dass die Landwirte Umweltvorschriften erfüllen müssten, um überhaupt Direktzahlungen zu bekommen. Doch diese Vorschriften fielen teilweise hinter die Praxis zurück, so Professor Lak­ner. Sie würden etwa verlangen, dass auf 5 Prozent der Ackerfläche eines Betriebes nichts produziert wird oder Zwischenfrüchte wachsen, die Erosion verhindern und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. „Aber wir haben schon jetzt auf 9 Prozent der Ackerfläche in der EU Zwischenfrüchte oder nicht produktive Elemente wie Brachen“, so Lakner. Er warf den EU-Ministern „reines Greenwashing“ und eine „fehlende Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft“ vor.

Eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, die Direktzahlungen für Großbetriebe auf 100.000 Euro plus ihre Arbeitskosten zu begrenzen, lehnten die Minister ab. Jedes Land soll wie bisher selbst entscheiden, ob es diese Option nutzt. Freiwillig bleibt auch, Aufschläge für die ersten Hektar eines Betriebs zu zahlen, die aber auch die Großen bekommen.

WWF fordert, 50 Prozent der Direktzahlungen für die Eco-Schemes auszugeben

Für die Umweltstiftung WWF ist all das ein „fauler Kompromiss“. Die – für sieben Jahre – „390 Milliarden Euro Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden“, urteilte auch Greenpeace. Die Umweltschützer forderten, 50 Prozent der Direktzahlungen für die Eco-Schemes auszugeben.

Der Deutsche Bauernverband dagegen begrüßte die Einigung. Die Agrarpolitik werde „eindeutig grüner“, und „wir Bauern ­gehen den Weg proaktiv mit“.

Auch bei ersten Abstimmungen im EU-Parlament am Dienstagabend setzte sich diese Position weitgehend durch. Die Abgeordneten wollen zwar 30 Prozent der Direktzahlungen für die Eco-Schemes, aber ebenfalls keine genauen Vorgaben für deren Inhalt. Anfang November werden EU-Länder, -Parlament und -Kommission die endgültigen Verordnungen aushandeln.