Angriff auf Gefängnis im Kongo: 1.300 Häftlinge hauen ab

Bei einem mutmaßlichen Rebellenangriff auf ein Gefängnis in Beni in Kongos Kriegsgebiet sind fast alle Insassen getürmt. Politiker sind empört.

Menschenmenge vor einem Gefängnistor

Neugierige sammeln sich vor dem Gefängnis nach dem Massenausbruch Foto: Kennedy Muhindo

BENI taz | Im südlichen Viertel Kangbayi von Beni, einer Großstadt im Kriegsgebiet des Ostens der Demokratischen Republik Kongo, sind die Menschen nächtliches Gewehrfeuer gewohnt. Seit sechs Jahren kämpft die Armee im Umland gegen die ursprünglich ugandische Rebellenarmee ADF (Allied Democratic Forces), die Stadt ist hoch militarisiert. Aber an diesem Dienstagfrüh folgten auf die Schüsse im Morgengrauen ungewöhnliche Gerüchte: das Zentralgefängnis sei gestürmt worden.

Später bestätigt Bürgermeister Modeste Bakwanamaha den Überfall: Weit über 1.000 Häftlinge seien entflohen. „Wir bitten die gesamte Bevölkerung, den Sicherheitskräften zu helfen und jede unbekannte Person zu denunzieren, damit wir die Flüchtigen fangen können“, sagt er im Radio.

Der Gefängnissturm könnte einem Hollywood-Drehbuch entsprungen sein. Die Angreifer überrannten nach Angaben des Bürgermeisters erst einen Militärposten einen Kilometer vom Gefängnis entfernt; eine andere Gruppe machte sich zugleich mit Schweißgeräten an den Toren zu schaffen.

Die Wachleute zogen es vor zu verschwinden. Die Angreifer öffneten die Tore und verteilten die Zellenschlüssel an die Gefangenen, die sich davonmachten.

Eine Quelle in der Armee macht die ADF verantwortlich. „Es müssen die ADF sein, denn das war gut organisiert“, findet er. Armeeoffiziere wollen sich auf Anfrage nicht äußern. Lokale Politiker verweisen darauf, dass nur wenige Kilometer entfernt seit Jahren lokale bewaffnete Selbstverteidigungsmilizen, genannt Mayi-Mayi, ihre Basen haben, dass jeder das weiß und die Armee nichts tut. „Wie kann man ein Gefängnis unzureichend gesichert lassen, in dem Kriegsverbrecher, ADF-Rebellen und Mayi-Mayi sitzen?“, fragt Mufunza Bayango, Abgeordneter für Beni im Provinzparlament.

Waren es die ADF-Rebellen?

Im Zentralgefängnis von Beni sitzen nicht nur Kriminelle, sondern auch einfache Banditen, die auf der Straße wegen Kleinkriminalität geschnappt wurden. In der Haft können sie sich dann Kriegsverbrechern anschließen.

„Wir haben diesen sorgfältig organisierten Wirrwarr schon immer verurteilt, aber man hört uns nicht zu – das haben wir nun davon“, ärgert sich Mufunza Bayengo. Er fordert die Verlegung von Schwer- und Kriegsverbrechern in Hochsicherheitsgefängnisse in anderen Landesteilen, wo sie nicht mehr die Gewalt um Beni am Laufen halten können.

Es ist nicht der erste Massenausbruch aus dem Zentralgefängnis von Beni, aber der bisher größte. Im Juni 2017 waren schon einmal 966 Häftlinge entflohen, als Bewaffnete das Gefängnis angriffen; acht Polizisten und drei Häftlinge waren dabei getötet worden.

Polizei riegelt die Stadt ab

Bis Dienstagnachmittag blieben die meisten der 1.455 re­gistrierten Häftlinge unauffindbar. Nur 122 hatten der Versuchung widerstanden abzuhauen. Von den anderen hat die Polizei bislang 14 gefunden und zwei von ihnen erschossen. Alle Straßen sind abgesperrt, jeder Reisende muss sich ausweisen.

Die lokale Zivilgesellschaft fürchtet nun eine Zunahme von Gewalt. „Dieser Massenausbruch lässt jede Hoffnung auf Gerechtigkeit und Wahrheitsfindung, was die Massaker in dieser Region angeht, in weite Ferne rücken“, erklärt die Bürgerrechtsgruppe Lucha.

Kizito Bin Hangi, Koordinator des Dachverbands der Zivilgesellschaft in Beni, meint: „Jetzt geht es wieder los mit der Unsicherheit in der Stadt. Wir können schon nicht mehr auf die Felder, wo sich die ADF festgesetzt hat. Jetzt werden diese Verbrecher uns in unseren Häusern belagern!“

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