Barbara Oertel über die Wahlen in Tadschikistan
: Ein fragwürdiger Triumph

Tadschikistans Staatschef Emomali Rachmon mausert sich zum Mann der Superlative. Mit knapp 91 Prozent bei der Präsidentenwahl am Sonntag besorgt sich der Mann, der seit 1992 an der Macht ist, eine fünfte Amtszeit. Da dürfte selbst Alexander Lukaschenko vor Neid erblassen, der es angeblich ja „nur“ auf knapp über 80 Prozent gebracht hat. Besonders wurmen dürfte den belarussischen Autokraten sowie die alte zerstrittene Männerriege im benachbarten Kirgistan der Umstand, dass der Wahlsieg Rachmons wohl auf keinen nennenswerten Widerstand in der Bevölkerung stoßen wird.

Das Terrain war von Rachmon, der sich seit 2015 auch „Führer der Nation“ nennen und unbegrenzt für das höchste Staatsamt kandidieren darf, perfekt bereitet. Seine vier Gegenkandidaten gelten alle als regierungsnah. Alternative Bewerber wurden nicht zu der Abstimmung zugelassen. Die Sozialdemokraten, die noch am ehesten als Opposition gelten können und nicht im Gefängnis sitzen oder außer Landes sind, boykottierten die Abstimmung. Auch am Wahltag selbst wurde nach Kräften gefälscht – wie Aufnahmen zeigen, auf denen Wähler*innen Stimmzettel gleich büschelweise in die Urnen befördern.

Das allein erklärt nicht alles. Für viele Tadschik*innen gilt Rachmon immer noch als derjenige, der in den 90er Jahren den Bürgerkrieg im Land beendet hat. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regionen und Klans kosteten Schätzungen zufolge über 100.000 Menschen ihr Leben.

Doch ob Rachmon sein deutlicher Sieg Freude machen wird, ist fraglich. Denn das ohnehin bitterarme und wirtschaftlich labile zentralasiatische Land ist besonders von der Coronapandemie betroffen. Ein Großteil des Staatshaushalts, aber auch die Einkommen vieler Familien speisten sich bislang aus Rücküberweisungen tadschikischer Gastarbeiter in Russland. Die fallen jetzt weg, und das auf unbestimmte Zeit. Mag Rachmon jetzt in einem Wagen durch die Hauptstadt Duschanbe fahren und sich feiern lassen: Auch für ihn könnte es bald ungemütlich werden.

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