Angriff auf Ex-Charlie-Hebdo-Räume: Täter wollte Redaktion angreifen

Ein mutmaßlicher Attentäter wollte den erneuten Abdruck der Mohammed-Karikaturen bestrafen. Doch er wusste nichts vom Umzug der Redaktion.

Ein Polizist steht hinter einem Absperrband auf einer Straße

Paris am 25. September: Ein Polizist steht am Tatort der Messerattacke Foto: Andreina Flores/Panoramic/imago

PARIS taz | Die Aufklärung der Messerattacke vor den ehemaligen Redaktionsräumen von Charlie Hebdo an der Rue Nicolas-Appert in Paris am Freitag macht rasche Fortschritte nach dem Geständnis des Täters sowie der Untersuchung seines Mobiltelefons und von Video-Aufnahmen. Der mutmaßliche Angreifer, der zwei Beschäftigte der TV-Produktionsgesellschaft Premières lignes mit einem Fleischerbeil schwer verletzt hat, ist nicht 18, sondern 25 Jahre alt. Aber er kommt tatsächlich aus Pakistan und hielt sich seit rund drei Jahren in Frankreich auf. Nur heißt er nicht Hassan A., sondern Zaheer Hassan M. Seine wahre Identität hat die Polizei aufgrund von Daten auf seinem Mobiltelefon entdeckt.

Die Tageszeitung Le Monde vermutet im Zusammenhang mit der Enthüllung der eigentlichen Identität, dass der junge Pakistaner gefälschte Papiere benutzt habe, um in Frankreich als unbegleiteter Minderjähriger Asyl zu erhalten. Die Ermittler gehen davon aus, dass er via Iran und die Türkei in den Schengenraum eingereist sei. Er war weder unter seinem falschen noch unter dem richtigen bei der französischen Polizei wegen einer islamistischen Radikalisierung bekannt oder registriert.

Schon bei seiner Festnahme hat er den blutigen Angriff auf die beiden Personen, die in der Rue Nicolas-Appert eine Rauchpause machten, gestanden. In der polizeilichen Befragung hat er zu seinen Motiven angegeben, er habe Charlie Hebdo wegen der erneuten Publikation der Mohammed-Karikaturen bestrafen wollen. Dass die Satirezeitung seit dem Terroranschlag von 2015 längst umgezogen war, wusste er nicht.

Derzeit wird noch eine Video-Botschaft ausgewertet, in der er ganz in Weiß gekleidet vor einer Kamera in Urdu spricht. Diese Aufnahmen soll er vor der Tat an Bekannte geschickt haben. Nach von Le Monde zitierten Informationen aus Polizeikreisen handelt es sich nicht um ein ideologisches Bekenntnis. Auch berufe sich Ali alias Mahmoud darin nicht auf eine terroristische Organisation, sondern auf einen spirituellen Führer einer religiösen Gemeinschaft in Pakistan, die eher als unpolitisch und gewaltlos bekannt sei.

Beim ersten Festgenommenen irrte die Polizei gründlich

Insgesamt neun Personen aus seinem Umkreis wurden seit Freitag zu Befragungen festgenommen, bei den namentlich eine mögliche Mitwisserschaft oder Beihilfe geprüft wird. Der Erste unter diesen vorübergehend in Polizeigewahrsam gebrachten Personen war der 33-jährige Youssef – doch bei ihm hatte sich die Polizei gründlich geirrt, als sie ihn als mutmaßlichen Komplizen in Handschellen abführte, um ihn während zehn Stunden auf dem Kommissariat zu verhören.

Youssef war beim Angriff am Freitag kein Helfer des Täters, sondern ein verhinderter Held. Wie er jetzt in Medien schildert, war er gerade dabei, in sein Auto zu steigen, als er die Schreie der beiden Angegriffenen hörte. Spontan rannte er dem Täter nach mit der Absicht, ihn zu stoppen. In der Metro-Station Richard-Lenoir zückte dieser ein Messer und entkam ihm.

Draußen informierte er Polizisten, dass der Tatverdächtige in der Metro in Richtung Bastille flüchtete. Er sagte den Beamten auch, er sei Zeuge des Angriffs gewesen, wurde aber von diesen eher unfreundlich weggeschickt. Als Youssef dann später trotzdem als Zeuge aussagen wollte, nahm ihn die Polizei als Verdächtigen fest. Denn inzwischen verfügte sie über Aufnahmen von Überwachungskameras, auf denen er in der Metro-Station neben dem Flüchtenden zu erkennen war. „Wir haben ihn!“, hätten Polizisten gerufen. „Ihr habt mich? Ich bin ein Zeuge!“, habe er vergeblich geantwortet.

Schließlich konnten Anwohner an der Rue Nicolas-Appert und Beschäftigte von Premières Lignes, zum Teil ebenfalls mit Videos, die Version von Youssef bestätigen. Er sei nicht nachtragend, denn die Polizei habe bloß ihren Job gemacht, sagt er. Seine Verbitterung kann er nicht ganz verhehlen: „Ich wollte den Helden spielen, dafür bin ich hinter Gittern gelandet.“

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