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Nachgeholte Revolutionsvisionen

Hannovers ursprünglich bereits fürs Frühjahr geplante zweite Festival des Kubanischen Kinos hat es nun doch noch geschafft: „Kubanische Visionen“ läuft an diesem Wochenende im Kino im Künstlerhaus

Einblicke in Kuba Foto: Ralf Knobloch-Ziegan/Kino im Künstlerhaus

Von Wilfried Hippen

Die Filme waren schon bestellt, die internationalen Gäste eingeladen: Im Frühjahr wollte Hannovers Kommunalkino das zweite Festival des Kubanischen Kinos veranstalten. Doch dann kam Corona dazwischen. Nun wird das kleine Festival immerhin als eine Notausgabe nachgeholt. Statt der Regisseur*innen stellt Andreas Hesse, der Organisator des Frankfurter „Festival del cine cubano“ die Filme vor, und mit Livemusik gefeiert wird natürlich auch nicht. Dafür ist das Programm mit fünf neuen Produktionen und drei kubanischen Klassikern erstaunlich voll. Aber wie gesagt: Die Filme waren ja schon bestellt.

Im Sommer letzten Jahres wurde auf Kuba die Legalisierung der privaten Filmindustrie beschlossen. Doch davon konnten die Produzenten der fünf kubanischen Spielfilme aus den Jahren 2018 und 2019, die auf dem Festival gezeigt werden, noch nicht profitieren. Auch darum sind drei der Filme internationale Ko-Produktionen. Fer­nando Perez, der bekannteste Filmemacher Kubas, dessen Tragikomödie „Das Leben ist ein Pfeifen“ aus dem Jahr 1998 am Sonntag gezeigt wird, hat etwa seinen neuen Film „Insuminas (Die Unbeugsamen)“ gemeinsam mit der Schweizer Regisseurin Laura Cazador gedreht. In dem historischen Film spielt Sylvie Testud die Schweizer Medizinerin Henriette Faber, die zum Beginn des 19. Jahrhunderts als Mann verkleidet in Kuba lebte, weil Frauen dort nicht als Ärztinnen praktizieren durften. Sie gilt als die erste Chirurgin Lateinamerikas und wurde als Aktivistin gegen die Sklaverei von den herrschenden Kolonialisten verfolgt.

Auch „Inocencia (Unschuld)“ von Alejandro Gil Alvarez ist ein Historienfilm, der im Kuba des 19. Jahrhunderts spielt. Hier wird einer der Gründungsmythen des kubanischen Widerstands gegen die spanischen Kolonialisten neu interpretiert. Im Jahr 1871 wurden kubanische Medizinstudenten aufgrund falscher Anschuldigungen inhaftiert. Acht von ihnen wurden verurteilt, und erst sechzehn Jahre später gelang es einem ihrer ehemaligen Zellengenossen, ihre Unschuld zu beweisen.

Seit „Gone With the Wind“ ist es ein geschickter dramaturgischer Kniff, im Rahmen einer Romanze von der Geschichte eines Landes zu erzählen. So ist „Nido de mantis (Nest der Gottesanbeterin)“ von Arturo Sotto Diaz vordergründig eine erotische Dreiecksgeschichte zwischen zwei Männern und einer Frau, die im Jahr 1994 gemeinsam ermordet werden. Doch da die drei über 40 Jahre nicht voneinander lassen konnten, ist dies ganz beiläufig auch eine Chronik der kubanischen Revolution.

Von der kubanischen Geschichte zwischen den 1950er-Jahren und der Jahrtausendwende erzählt auch Esteban Insausti in „Club de Jazz“: In drei Episoden stellt er Musiker aus verschiedenen Jahrzehnten vor. Das verbindende Element ist dabei ein alter Musikclub, der kurz vor dem Abriss steht. Der in glamourösem Schwarzweiß gedrehte Spielfilm war auf internationalen Festivals erfolgreich und wurde im italienischen Ischia als bester Film ausgezeichnet. Mit dem Soundtrack erinnert Insausti an den kubanischen Pianisten Emiliano Salvador – seinen Schwiegervater.

„Kubanische Visionen“: Fr., 9. 10., bis Mo., 12. 10., Kino im Künstlerhaus Hannover. Infos zum Programm unter: www.koki-hannover.de

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