Konzerttipps für Berlin: „Kunst mag ich, Künstler nicht“
Live-Acts der Woche: von experimentellen Klangwelten beim Kiezsalon bis zu Neo-Klassik unter freiem Himmel in den Marzahner Gärten der Welt.
A uch wenn die spätsommerliche Hitze gerade darüber hinwegtäuscht– die dunkle Jahreszeit steht unmittelbar bevor. Wer daran erinnert werden will und zugleich den Sommer bei experimentellen Klängen und gutem Wein vor hübscher Kulisse verabschieden möchte, kann das am Mittwoch auf der Dachterrasse des Haus der Kulturen der Welt tun.
Dort gab es im Hochsommer unter dem Motto „20 Sunsets“ ja allerhand Konzerte und Lesungen; bei denen glitzerte die Restsonne tatsächlich im Konzertzeitfenster noch atmosphärisch in der Spree. Jetzt gibt es einen Nachzüglertermin, den 21. Sonnenuntergang sozusagen. Ausgerichtet wird der vom Kiezsalon, zu dem Laurel Halo and Julia Reidy so experimentelle wie vielschichtige Klangwelten mitbringen.
Und es lohnt sich, bereits eine Stunde vor Konzertbeginn zu kommen. Zum einen dem Salongedanken zuliebe, schließlich geht es bei dieser Veranstaltungsreihe auch um Kommunikation ums Musikerlebnis herum. Zum anderen, um in dieser lauen Nacht eben doch noch einmal die Sonne in diesem Setting untergehen zu sehen(16. 9., 20 Uhr, John-Foster-Dulles-Allee 10, ausverkauft; von außerhalb an der Spree oder den Wiesen drumherum lässt sich aber schön mitlauschen).
Die in Berlin lebenden Detroiterin Laurel Halo veröffentlichte zuletzt ihre Vertonung des Essayfilms „Possessed“, bei dem es um die aus den Fugen geratenen Welt geht. Man darf gespannt sein, woran sie in den eher einsamen letzten Monaten gebastelt hat.
Die Australierin Julia Reidy – unter anderem arbeitet sie als Mitglied des Splitter-Orchesters zwischen improvisierter und Neuer Musik – hat auf jeden Fall neue Eigenkompositionen im Gepäck. Gerade erschien ihr Album „Vanish“: ausufernd-psychedelische Stücke, in denen sie folkig Fingerpicking auf ihrer zwölfsaitige Gitarre mit verwaschenen Synthiesounds und autogetunten Gesang zusammenbringt.
Dass er in Berlin immer wieder voll funktionstüchtige Fernseher auf der Straße findet, stimmt den japanischen Künstler Seiji Morimoto melancholisch – so sehr, dass er seine Sound-Video-Installation mit dem Titel „SORROW“ dem Röhrenfernseher der Marke Braun gewidmet hat.
Soundwelten des Röhren-TV
Die werden nämlich seiner Beobachtung nach besonders häufig rausgeworfen – nicht zuletzt, weil ihre Besitzer von Media Receivern und ähnlichen Gerätschaften dazu gezwungen werden, sind die doch einfach nicht mehr kompatibel mit SCART-Kabelei. Eröffnet wird diese Fusion aus Fotos und Soundwelten – man hört etwa, wie die Elektroden durch Röhren sausen, oder so ähnlich – am Freitag im Projektraum SPEKTRAL-RAUMOHR (18. 9., 18 Uhr, Motzstr. 91, kostenlos).
Noch ein Outdoor-Konzert in schöner Umgebung, gleich neben dem koreanischen Garten in den Marzahner Gärten der Welt gibt es dann am Sonntag mit der Cellistin Anne Müller. Die kollaborierte schon mit allerhand Kollegen, unter anderem dem Neo-Klassik-Pianisten Nils Frahm; im vergangen Frühwinter erschien ihr Solodebüt „Heliopause“.
Kosmopolitische Klangwelten mitbringen wird der zweite Künstler des Abends, Markus Sieber aka Aukai, mit seinem Album „Game Trails“. Auf dem geht es um das Unterwegssein. Seibers Hauptinstrument ist übrigens, dazu passend, eine Mandoline aus den Anden (20. 9., 17 Uhr, Einlass ab 16 Uhr über Eisenacher Str. 99, Eintritt 31,50 Euro).
Ebenfalls am Sonntag eröffnet in der Volksbühne die Musiksaison – mit einem Genre, das in diesen Zeiten bommt, zu denen es ja tatsächlich viel zu sagen gibt: der Spoken Word Performance.
Musik-Poetry und alte Säcke
Die ersten beiden Ausgaben von Danielle de Picciottos Poetry Salon waren ausverkauft, nun wandert man coronabedingt vom Roten Salon ins Großen Haus Und so vielseitig wie die Multimediakünstlerin de Picciotto aufgestellt ist, gibt es neben Worten auch reichlich Kunst und Musik (20 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz, Eintritt 18 Euro).
Am Freitag darauf stellen OIL ihr Album „Naturtrüb“ im Garten des Humboldthain Club vor (25. 9., 20 Uhr, Hochstr. 46, Eintritt 14,30 Euro). Zeitgleich zum Debüt der Hamburg-Berlin-Combo erschien übrigens das Buch zur Band.
In dem karikieren sich die vier Mitglieder unter anderem als „alte Säcke, die es nochmal wissen wollen“: Autor und Plattenladenbetreiber Gereon Klug und die drei Musiker „Reverend“ Christian Dabeler, Maurice Summen (zudem Labelchef von Staatsakt) und Timur Çirak (auch als Comickünstler aktiv, unter anderem steuert er Illustrationen bei). Allein für Aussagen wie „Kunst mag ich, Künstler nicht“ muss man diese Band einfach mögen.
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