Oh-weh, oh weh oh weh oh weh!

Vereinzelt dürfen wieder Fans in die Fußballstadien. Ein Grund zur Freude, sollte man denken, doch der Umgang mit der Pandemie macht nicht alle Fans glücklich

Die Botschaft ist deutlich: Fußball mit Fans – oder gar kein Fußball Foto: Marie Gogoll

Von Marie Gogoll

Eigentlich dürfte die Bundesliga während der Pandemie gar nicht stattfinden“, meint Hannes (Name geändert), der seit Jahren in der Bremer Fan-Szene aktiv ist. Gerade rechtzeitig, einige Tage vor Saisonbeginn der Fußballbundesliga der Männer, verkündeten die Bundesländer am Mittwoch, dass ein paar Fans wieder in die Stadien dürfen. Die Reaktionen vieler aktiver Fans sind aber keine Jubelgesänge, sondern viel Kritik und Stadionboykott.

Das Problem: Fußballkultur zeichnet sich für viele Fans nicht dadurch aus, einem Verein vor dem Fernseher die Daumen zu drücken, sondern durch Gemeinschaft, die Fahnen, Gesänge und Choreografien der Fans. Eine Teilzulassung der Zuschauer ins Stadion ist deshalb für viele keine Lösung. So erklärt die Bremer Ultragruppe „Infamous Youth“ auf ihrer Website, dass es „keinen organisierten Support im Weserstadion geben werde“, solange die Spiele unter Coronabedingungen stattfinden müssen.

„Die Ultrakultur und ihr antifaschistisches Wirken sind für den Fußball unabdingbar“, meint Hannes. Ob sie die Pandemie überleben, wenn sie über lange Zeit nicht praktiziert werden, hält er für fraglich: „Die Romantik von Fußball und Fansein ist durch den Umgang mit Corona im Fußball kaputt gegangen.“

Wie viele Fans befürchtet auch er, dass Corona-Auflagen, wie das Stehplatzverbot oder personalisierte Tickets im Stadion auch nach der Pandemie einfach beibehalten werden. Letzteres brachte Hermann Winkler, Präsident des sächsischen Fußballverbandes, bereits ins Gespräch.

Es gebe genug Gründe, wieso man seine Daten nicht überall angeben wolle, meint Hannes. Gerade als Fußballfan werde man leicht stigmatisiert: „Es reicht oft, zur falschen Zeit in der falschen S-Bahn zu ­sitzen, um in der Datei ­‚Gewalttäter Sport‘ zu landen.“ Darum möchte er seinen echten Namen auch nicht in der Zeitung lesen.

Michael Rudolph, Mediendirektor des SV Werder Bremen beruhigt jedoch: „Wenn wir die Pandemie hinter uns haben, werden wir uns dafür einsetzen, wieder andere Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Der SV Werder macht sich immer für eine lebendige Fankultur stark.“

Neben dem Verlust der aktiven Partizipation im Stadion sind es auch gesundheitliche Bedenken, die vielen Fans Sorgen machen. Wie in allen Abwägungen in der Coronapandemie ginge es auch beim Fußball um gesellschaftliche Verantwortung. „Darum, an einem Strang zu ziehen und die Menschen zu schützen“, meint Hannes.

In das Weserstadion dürfen beim heutigen Spiel gegen Hertha BSC Berlin 8.500 Heimfans. Dass sich die Leute konsequent an Abstands- und Maskenregeln halten, glaubt Hannes nicht. „Bei den Pokalspielen, wie in Rostock, hat man doch gesehen, dass das nicht klappt.“ Bei besagtem Spiel letzten Sonntag hatten Tausende Zuschauer die Hygieneregeln missachtet.

Fans befürchten, dass die Auflagen im Stadion bleiben

„Wir wollen in Bremen keine Szenen wie in Rostock“, sagt auch Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. Die Erlaubnis, Zuschauer zuzulassen, gilt zunächst für sechs Wochen. „Das kann natürlich jederzeit zurückgenommen werden. Ob wir die Erlaubnis verlängern, hängt vom Verhalten der Fans ab“, so Fuhrmann.

Die Diskussion um Fußball und Fansein unter Pandemiebedingungen bezeichnet Daniel Behm vom Fanprojekt Bremen als zweischneidiges Schwert. Man müsse zum Beispiel darüber streiten, ob es gerechtfertigt sei, so viele Testkapazitäten auf die Profifußballer zu verwenden. Auf der anderen Seite sei es für die Klubs unerlässlich, dass der Spielbetrieb wieder losgeht. „Die Vereine können nicht ein Jahr lang keinen Fußball spielen. Danach wären sie alle bankrott.“

Obwohl die Aussetzung der Bundesliga für Hannes der einzig richtige Weg wäre, weiß auch er um diese Problematik. „Natürlich muss der Verein gucken, wo er bleibt.“ Ein richtiges Leben im Falschen gebe es nun mal nicht.

Das gilt auch bei persönlichen Entscheidungen: Die Spiele seit Mai habe er sich nicht im Fernsehen angeschaut, so Hannes, meistens sei er währenddessen ums Weserstadion spazieren gegangen. „Außer beim letzten Ligaspiel gegen Köln und den Relegationsspielen. Das hätte ich sonst nicht ausgehalten“, fügt er dann noch hinzu.