Prozess gegen mutmaßliche Folterer in Syrien: „Aber da kam nichts, kein Wort“

Riad Seif, einer der bekanntesten syrischen Oppositionellen, sagt vor Gericht aus. Eine Entlastung, auf die der Hauptangeklagte hoffte, wird es nicht.

Ein Angeklagter zieht sich im Gerichtssaal die Kapuze vor das Gesicht

Die beiden Angeklagten Anwar R. (links) und Eyad A. im Gerichtssaal in Koblenz Foto: Thomas Frey/dpa/picture alliance

KOBLENZ taz | Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Mitarbeiter des syrischen Assad-Regimes vor dem Oberlandesgericht Koblenz hat am Mittwoch und Donnerstag einer der bekanntesten syrischen Oppositionellen ausgesagt: Riad Seif, einst einer der erfolgreichsten Unternehmer des Landes und lange vor der syrischen Revolution in der Opposition aktiv. Seif, der 1994 erstmals in das syrische Parlament gewählt wurde, saß mehrfach im Gefängnis. Weil er schwer an Krebs erkrankt ist, wurde der 73-Jährige, der 2012 Syrien verließ und in Berlin lebt, aus dem dortigen Landgericht per Video zugeschaltet.

Anwar R. und ein weiterer Angeklagter stehen seit Ende April wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Koblenz vor Gericht. R. legt die Anklage 58-fachen Mord, Folter in mindestens 4.000 Fällen, Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung zur Last. Er hat in der Abteilung 251 des Allgemeinen Syrischen Geheimdienstes die Unterabteilung „Ermittlungen“ geleitet und war für das berüchtigte Gefängnis al-Khatib in Damaskus verantwortlich. Es ist der erste Prozess weltweit, in dem sich mutmaßliche Folterer des Assad-Regimes vor Gericht verantworten müssen.

Durch die Empfehlung Seifs war Anwar R. im Juli 2014 mit Hilfe eines Aufnahmeprogramms des Bundesiinnennministeriums für 5.000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.

Seif machte vor Gericht klar, dass dies aber nichts mit seiner persönlichen Einschätzung des Angeklagten, dessen Desertieren oder einer vermeintlichen Unterstützung für die Opposition zu tun hatte, sondern eher eine Gefälligkeit für einen Freund seines Schwiegersohns gewesen sei, der um Hilfe für R. gebeten hatte. Warum dieser darum bat, blieb unklar. R. war nach eigenen Angaben im Winter 2012 desertiert und hatte sich in Jordanien der Opposition angeschlossen.

Kaum Belege für Verteidigung des Angeklagten

„Bevor er nach Berlin kam, kannte ich ihn nicht“, übersetzt die Dolmetscherin, die neben Seif im Berliner Landgericht sitzt. Später, als sie beide in Berlin waren, habe Seif versucht, von R. Informationen zu bekommen. Genau das sei einer der Gründe, warum die Opposition Abtrünnige des Regimes unterstützt habe. „Aber da kam nichts, kein Wort.“

Auf die Frage des Richters, ob er davon gehört habe, dass R. bereits in Syrien Kontakt zur Opposition gesucht habe, antwortet Seif, davon wisse er nichts. R. hatte in einer Einlassung, die sein Verteidiger Mitte Mai verlesen hat, alle Schuld von sich gewiesen und behauptet, innerhalb des Systems entmachtet worden zu sein und sich lange vor seiner Ausreise der Opposition zugewandt zu haben. Dafür aber fehlen im Prozess bislang die Belege.

Klar ist nur, dass R. Anfang 2014 als Teil der Delegation der syrischen Opposition an den Friedensgesprächen Genf II teilgenommen hat. „Aber er hat keine Beziehung zur Opposition gehabt“, sagt Seif. Der Kontakt habe allein zum Leiter der Delegation bestanden. Möglicherweise habe dieser R. als Wachmann eingestellt und dafür auch bezahlt.

Anwar R. hatte Seif in seiner Einlassung als einen von 26 Zeugen aufgeführt, die das Gericht laden und zu seiner Entlastung befragen möge. Seifs Aussage aber dürfte ihm nicht geholfen haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.