Wegweisender Prozess für Doping im Sport: Böses Blut

In München beginnt der größte Dopingprozess der letzten Jahre. Im Verfahren gegen den Arzt Mark Schmidt steht ein Gesetz auf dem Prüfstand.

Blutzentrifuge mit gefüllten Probebehältnissen

Blutiges Geschäft: Dopingproben in der Zentrifuge Foto: CoverSpot/imago

Die Geschichte ist einfach zu schön. Ein kleines Land, das kaum mehr Einwohner als Hamburg zählt und im Radsport lange Zeit eine entsprechend winzige Rolle spielte, dominiert derzeit das Geschehen bei der Tour de France. Die Slowenen Primoz Roglic und Tadej Pagacar führen die Gesamtwertung der weltweit prestigeträchtigsten Radrundfahrt an. Und die Sportfans haben schon einen Narren an diesen Teufelskerlen aus Slowenien gefressen. Endlich wieder mal ein Märchen.

Zugleich gibt es da aber diese andere Geschichte, die just jetzt am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht erstmals verhandelt wird. „Ein enorm wichtiger Prozess für den Antidopingkampf – nicht nur in Deutschland, sondern weit über unsere Grenzen hinaus“, wie Alfons Hörmann, der Präsident des Olympischen Sportbundes, sagte. Lang ziehen sich die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft schon hin, seitdem der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr mit seinen Offenbarungen gegenüber der ARD die „Operation Aderlass“ im Februar 2019 auslöste, durch die ein ­Dopingnetzwerk rund um den Erfurter Arzt Mark Schmidt aufgedeckt wurde.

Seither türmen sich jede Menge Fragen auf. Und auch der Rad-Weltverband (UCI) hat im Vorjahr einige davon gestellt bekommen, nachdem die beiden slowenischen Fahrer Kristijan Koren und Borut Bozic als Kunden des Eigenblutdoping-Spezialisten Mark Schmidt aufflogen und für zwei Jahre gesperrt wurden. Die UCI teilte damals mit, er und seine Antidopingeinheit CADF hätten „die Aktivitäten mehrerer slowenischer Personen, darunter Fahrer, Betreuer und Mitarbeiter des Teammanagements, sorgfältig verfolgt, um mögliche Rollen in einer Reihe verschiedener Untersuchungen zu ermitteln“. Ob man dabei etwas herausgefunden hat, ist bis heute unbekannt.

Vom größten deutschen Dopingverfahren seit dem Staatsdopingprozess gegen ehemalige DDR-Funktionäre vor 20 Jahren erwarten viele Aufklärung. Es dürften weitaus mehr als die bekannten 23 Sportler:innen aus acht Ländern in diesem Netzwerk involviert sein, vermutet etwa der Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner mit Verweis auf seine Berufserfahrung. Es müsse im Prozess gegen Schmidt und seine mutmaßlichen vier Komplizen noch mehr herauskommen als das Bekannte.

Immenser Erfolgsdruck

Der Druck auf die Staatsanwaltschaft München I, die schwerpunktmäßig Dopingfälle verfolgt, ist groß, steht doch auch das 2015 eingeführte Antidopinggesetz auf dem Prüfstand. Erfolge konnte man bislang ausschließlich im Breitensport erzielen, im Spitzensport erwies sich das neue Instrument der staatlichen Strafverfolgung als stumpfes Schwert. Auch dieser Fall kam im Übrigen nur durch die ARD-Recherche ins Rollen.

Nun soll mit großer zeitlicher Verzögerung im besten Falle die Schärfe des Gesetzes nachgewiesen werden. Sollte es zu einem Schuldspruch kommen, erklärte DOSB-Chef Hörmann, erwarte er „harte Strafen“ für Schmidt und seine Komplizen.

Die 145-seitige Anklageschrift listet knapp 150 Fälle von mutmaßlichen Verstößen gegen das Arzneimittel- und Antidopinggesetz auf. Auf Autobahnraststätten, in Hotels oder an Flughäfen sind die Blutbehandlungen laut den Ermittlern durchgeführt worden. Es gibt Hinweise, dass dabei mit den Athleten „experimentiert“ wurde – etwa mit neuartigen, getrockneten Blutkörperchen.

Die Tageszeitungen Le Monde und Corriere della Sera berichteten, Milan Erzen, der slowenische Manager des Radrennstalls Bahrain McLaren, gehöre zum Netzwerk von Schmidt. In den Prozessakten wird der kroatische Leichtathletiktrainer Dario Nemec ebenso als Helfer aufgeführt wie der frühere österreichische Skilanglauftrainer Walter Mayer.

Deutsche Namen tauchten bislang bei den Ermittlungen nur spärlich auf. Neben dem geständigen deutschen Ex-Radprofi Danilo Hondo wurde auch der ehemalige Eisschnellläufer Robert Lehmann-Dolle vom Angeklagten Mark Schmidt belastet. Dessen Anwalt Juri Goldstein erzählte jüngst dem Spiegel, die Ermittler hätten Schmidt „verzweifelt nach deutschen Athleten“ gefragt.

Seine Beschuldigungen gegenüber Lehmann-Dolle wertete Mitte August das deutsche Sportschiedsgericht als „ungenau und widersprüchlich“. Wegen fehlender eindeutiger Beweise wurde Lehmann-Dolle vom Vorwurf des Dopings freigesprochen.

Es gibt einiges zu klären in den 26 Verhandlungstagen, die für den Prozess in München angesetzt wurden. Eineinhalb Jahre hat Mark Schmidt nun bereits schon in Untersuchungshaft abgesessen. Seine Verhaftung hat man damals mit der zu erwartenden hohen Strafe und der Verdunkelungsgefahr begründet.

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