Stadtgespräch Katrin Gänsler aus Cotonou: Es lebe die Amazone! Benin setzt seinen historischen Kämpferinnen ein Denkmal – die Expertise dafür liefert China
Plötzlich dachte ich, ich sei in Dakar. Es ist aber gar nicht Dakar, sondern Cotonou“, erzählte vor einigen Tagen eine überraschte Freundin. In der senegalesischen Hauptstadt steht das riesige, sozialistisch anmutende Monument der afrikanischen Wiedergeburt, mit dem sich Ex-Präsident Abdoulaye Wade 2010 verewigt hat. Gebaut hat es ausgerechnet eine Firma aus Nordkorea. Wer einmal in Dakar war, wird das massige Bauwerk, das direkt am Meer steht und dort umso besser wirkt, kaum vergessen.
Doch die Freundin war im beninischen Wirtschaftszentrum Cotonou auf der Marina unterwegs. Das ist die städtische Küstenstraße, an der mehrere teure Hotels, bewachte Wohnanlagen und der Präsidentensitz liegen. Seit mehr als einem Jahr wird sie ausgebaut. Künftig soll sie nicht nur den Verkehr der Lkw, die vom Hafen kommen, aus der Stadt wegleiten, sondern auch eine Art Prachtstraße werden und zumindest einmal im Jahr für Paraden am 1. August, dem Unabhängigkeitstag, genutzt werden.
Dort lugt in vielen Metern Höhe seit ein paar Wochen immer wieder mal ein Kopf hervor, wenn die grünen Stoffbahnen wegen der Arbeiten etwas zur Seite geschoben werden. Was man erblicken kann, erinnert tatsächlich an Dakar. Um die afrikanische Wiedergeburt handelt es sich allerdings nicht. Doch geschichtsträchtig ist das Denkmal allemal, soll doch mit ihm den Amazonen von Dahomey – nach dem alten Königreich war Benin noch bis 1975 benannt – gedacht werden. Die Amazonen – in der Sprache Fon auch Minon, also Mütter genant – waren Soldatinnen, die ab dem 17. Jahrhundert rekrutiert wurden. Sie durften weder Kinder haben noch heiraten. Es heißt, dass ihre Armee zwischenzeitlich aus rund 5.000 Kämpferinnen bestand. Auch nahmen sie Ende des 19. Jahrhundert an den Kriegen gegen die spätere Kolonialmacht Frankreich teil. Rund 120 Jahre später sollen die Minon zu Identifikationsfiguren werden, lautete im vergangenen Jahr die Entscheidung des Ministerrats für das Monument.
Ganz so weit her ist es mit dem Patriotismus jedoch nicht. Entworfen hat die 30 Meter hohe Stahlkonstruktion, die einen Bronzeüberzug erhält, kein*e Beniner*in, sondern der chinesische Bildhauer Li Xiangqun. Er hat zahlreiche internationale Preise erhalten und ist Professor an der Universität Tsinghua in Peking. Den Auftrag bekommen haben er und das Unternehmen Huashi Xiangqun Culture & Art wegen ihrer internationalen Expertise. Über die Kosten und Finanzierung ist nichts bekannt. Allerdings haben China und Benin eine jahrzehntelange Beziehung. Der 2015 verstorbene Altpräsident Mathieu Kérékou, der während Benins sozialistischer Phase an der Macht war, soll sich beispielsweise von Mao Tse-tung inspiriert haben lassen.
Diese Phase ist vielerorts in der Millionenstadt sichtbar. Es gibt den Place Bulgarie mit einer Statue von Georgi Dimitrov, den Place des Martyrs mit einem Denkmal, das an die Opfer des versuchten Putschs von 1977 erinnert, sowie den Kreisverkehr Étoile Rouge – roter Stern. Die Amazone passt gut ins Bild.
Eingebettet ist sie in das größere Projekt der Neugestaltung der Wirtschaftsmetropole. Überall werden Straßen asphaltiert und gepflastert, der Flughafen wird erneuert, ein Viertel für Ministerien ist geplant. Alte Gebäude verschwinden in Windeseile. Dafür hat Benin mit seinem wirtschaftsliberalen Präsidenten Patrice Talon immer wieder Kreditzusagen erhalten. Anziehen soll das künftig jährlich viele hunderttausend Tourist*innen. Davon träumt das Land schon lange, doch frühere Masterpläne sind nicht aufgegangen. Dass eine Amazone nun die Massen anlockt, ist ziemlich unwahrscheinlich, hat doch die Neugestaltung Cotonous bisher vor allem eins gebracht: Bäume, Beete und Grünflächen sind verschwunden und zahlreiche kleine Händler*innen vertrieben worden. Dafür gibt es nun überall viel Asphalt.
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