: Neuer Protest im Sudan zum Jahrestag
Tausende Demonstranten in Khartum erinnern an die Revolution, die 2019 den Sturz der Militärdiktatur bewirkte
Von Dominic Johnson
„Gerechtigkeit“, „Frieden“, „Zivile Staatsmacht“ – unter Transparenten mit solchen Aufschriften sind in Sudans Hauptstadt Khartum erneut Tausende von Menschen auf die Straße gegangen. Ein Jahr nach dem historischen Abkommen vom 17. August 2019, das eine zivilmilitärische Übergangsregierung in Sudan eingesetzt hatte, erinnerten am Montag rund 3.000 Menschen in Khartum daran, dass viele Hoffnungen aus der Zeit der Revolution gegen Sudans Militärdiktatur noch immer unerfüllt sind. Polizisten beschossen die Menge am Abend mit Tränengas, weil sie sich weigerte, auseinanderzugehen. Die Auseinandersetzungen gingen bis in die Nacht zum Dienstag weiter. Jugendliche errichteten Straßensperren aus brennenden Autoreifen.
„Wir sind gekommen, um Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie die Reformen beschleunigt“, erklärte ein Demonstrant. „Ein Jahr später sind wir nicht zufrieden.“ Im Sudan hatte eine Massenprotestbewegung nach mehreren Monaten teils blutig niedergeschlagener Proteste im April 2019 den Rücktritt des langjährigen Militärherrschers Omar Hassan al-Bashir erzwungen; es dauerte danach noch Monate, bevor die Generäle, die Bashirs Platz eingenommen hatten, eine Machtteilung mit Zivilisten bis hin zu Wahlen 2022 vereinbarten.
Premierminister Abdallah Hamdok, der diese Übergangsregierung führt, nahm am Montagabend einen Brief der Demonstranten entgegen. Er betonte, seine Regierung habe durchaus Dinge erreicht, insbesondere bei den laufenden Gesprächen mit den diversen Rebellengruppen, die in Darfur und den Provinzen Blue Nile und Südkordofan aktiv bleiben. Am Dienstag unterzeichnete die Regierung mit Letzteren ein Teilabkommen.
Doch wie Hamdok am Montag eingestand: „Die Frage der Gerechtigkeit für die Opfer bleibt eine unserer wichtigsten Aufgaben.“ Allein das Niederschlagen der Proteste von 2019 forderte rund 250 Tote. In den Kriegen des Bashir-Regimes gegen das mittlerweile unabhängige Südsudan sowie gegen andere Aufständische starben mehrere Millionen Menschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen