Steffen Grimberg
Flimmern und Rauschen
: Wenn der „Spiegel“ enthüllt, dass Rechte eigentlich bloß geliebt werden wollen

Foto: Regentaucher

Zur Abwechslung beginnt diese Kolumne heute mal mit einem Lob – für den Lebensmittelhandel. Die Supermarktkette Tegut hat angekündigt, Produkte des veganen Kochs und Verschwörungsschwaflers Attila Hildmann auszulisten, seine braune Schokocreme zum Beispiel. Bei Tegut würden keine rechts- oder linksradikalen, rassistischen, diskriminierenden oder beleidigenden Äußerungen akzeptiert, so das Unternehmen. Immer mehr Marken listen Hildmann aus: Kaufland, Vitalia und Voelkel sind auch schon dabei.

Beim Spiegel sieht’s anders aus. Nein, natürlich macht man sich dort keinesfalls mit Hildmanns so obskuren wie brandgefährlichen Äußerungen gemein. Die findet auch der Spiegel ganz, ganz schlimm. Was das Nachrichtenmagazin aber nicht davon abhält, mit Hildmann in den Wald – und ihm auf den Leim – zu gehen. Über zwei Seiten im aktuellen Heft darf sich Hildmann unter anderem als sanfter Tierfreund präsentieren, der einen verunfallten Käfer wieder umdreht. Aha.

Den Spiegel dreht leider keiner wieder auf die Füße, scheint es. Warum hat der offenbar lange an Hildmann herumgebaggert und trifft sich überhaupt mit ihm zum Waldspaziergang? Denn Hildmann sagt dasselbe wie immer – was hier aber nichts zu suchen hat, denn dann fiele man auch drauf rein und würde dem die nächste Plattform bieten.

Natürlich sieht auch der Spiegel Hildmann total ­kritisch, bloß: Kritisieren bringe nichts, steht da als Fazit, das perle an Hildmann ab. Aber an seiner Eitelkeit, da wollen sie ihn gepackt haben. Auf die Frage, ob es nicht eigentlich nur um sein Ego gehe, habe Hildmann nämlich beleidigt zu Boden geschaut. Ja Bombe! Hitler, Goebbels, Göring – alles eitle Säcke. Hat damals nur niemand mitgekriegt, weil es noch keinen Spiegel gab. „Die neuen Antisemiten wollen gesehen werden“, schreibt Ex-Justizministerin Sabine Leutseliger-Schnarrenberger im Tagesspiegel – auch über Attila Hildmann.

Vom Spiegel hätte man erwartet, dass der mit seiner eigenen juristischen Kompetenz beispielsweise abklopft, wo die Behörden längst hätten tätig werden können und müssen. Oder die Diskussion aufmacht, wie man als Medium damit umgeht, wenn jemand wie Hildmann Hass und Gewalt durchsichtig als „Meinung“ tarnt und Meinungsfreiheit für sich reklamiert. Doch da wird’s auf den zwei Seiten ganz schön dünn. Stattdessen stehen dort Politiker*innenzitate aus anderen Medien, die sich auch darüber wundern, dass bisher in Sachen Hildmann so wenig passiert ist.

Wenn der Spiegel und andere Medien Hildmann einfach mal rechts liegen ließen, wäre schon viel erreicht. Denn er hat keine Agenda, sondern ist Trittbrettfahrer der schlimmsten Sorte. Da hilft nur: auslisten. Wie beim Lebensmittelhandel, der mit gutem Beispiel vorangeht.

Steffen Grimberg, Medien­profi, bringt hier jede Woche Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.