SPD-Politiker Thomas Oppermann: Der Unvollendete

2021 wird Thomas Oppermann nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Was er am liebsten geworden wäre, wurde er nicht.

Oppermann stützt seine Hand am Kinn ab

Machtpolitiker und trotzdem unprätentiös: Thomas Oppermann Foto: Christian Spicker/imago-images

BERLIN taz | Er war Kulturminister in Hannover, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Chef der Fraktion, eine Weile das Gesicht der SPD in Talkshows und ist Vizepräsident des Bundestages. Doch was Thomas Oppermann, 66, am liebsten geworden wäre, das wurde er nicht: Minister in Berlin. 2013 wollte er und scheiterte daran, ein Mann aus Niedersachsen zu sein. Denn davon gab es mit Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier schon zwei. Das Innenministerium behielt die Union, Justizminister wurde 2013 Heiko Maas.

2021 will Oppermann, der viermal das Direktmandat in Göttingen gewann, nicht mehr antreten. In einer Erklärung seines Büros heißt es, dass er „das Ziel, Bundesinnenminister zu werden, um unter anderem eine fortschrittliche und kontrollierte Migrationspolitik durchzusetzen, nicht verwirklichen konnte“. Beim Abschied zu erwähnen, was nicht funktionierte, ist ungewöhnlich, irgendwie lässig.

Oppermann hat als politische Figur etwas Doppeltes. Er war harter Machtpolitiker, der sich in der Bundesfraktion vor allem unter den SPD-Linken wenig Freunde machte. Als parlamentarischer Geschäftsführer bescherte ihm die Fraktion einmal ein bescheidenes Ergebnis. Er kümmere sich zu sehr um seine ­Buddys, zu wenig um die Fraktion, hieß es.

Oppermann polarisierte, konnte als Generalist bei fast jedem Thema die Gegner attackieren, war aber äußerst flexibel, wenn sich die Großwetterlage änderte. 2013 kritisierte er Angela Merkel wegen der NSA-Abhöraffäre scharf. Die FAZ schrieb damals: „Der Mann ballert los, als wollte er die goldene Schützennadel aller Sozialdemokraten gewinnen.“ Kaum bahnte sich 2013 die Große Koalition an, warf Oppermann mit Watte.

Edathy-Affäre clever überstanden

Dass er hart und clever agieren konnte, zeigt die Edathy-Affäre. Oppermann hatte vertrauliche Informationen über justiziable Vorwürfe gegen SPD-Mann Edathy, die er sich vom Bundeskriminalamt bestätigen ließ – ein grenzwertiges Verhalten. Doch er überstand die Krise mit guten Nerven.

Gegen die Versuchung, sich selbst mit der Bedeutung des Amts zu verwechseln, war Oppermann stets ziemlich resistent, was im Berliner Betrieb eher Ausnahme als Regel ist. In das Bild passt auch, dass er, als linke Studenten in Göttingen das SPD-Büro besetzten, nicht die Polizei rief, sondern den Besetzern Kaffee servierte.

Seit er 2017 Bundestagsvizepräsident wurde, veränderte sich sein Auftreten. Er ist nicht mehr der scharfzüngige Angriffslustige, sondern, dem Amt entsprechend, zurückhaltend. Auf den SPD-Parteitagen der letzten Zeit erschien Oppermann weniger als Kämpfer im Getümmel denn als amüsierter, entspannter Zuschauer. Insofern ist sein Rückzug nicht völlig überraschend.

Jetzt also Rente mit 67? Das dann doch nicht. „Nach 30 Jahren als Abgeordneter ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, mir neue Projekte vorzunehmen“, so Oppermann. Welche, das ist noch offen.

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