Protest gegen Schulschließung: Lautstark für Groß-Sand
Mit einer Kundgebung und einer Petition wollen Pflegeschüler*innen die drohende Schließung der Pflegefachschule Groß-Sand in Wilhelmsburg verhindern.
Neben der Kundgebung soll auch die Petition „Wilhelmsburger Gesundheits- und Krankenpflegeschule Groß-Sand darf nicht geschlossen werden!“ die vom finanziell angeschlagenen Erzbistum Hamburg geplante Schließung der einzigen Gesundheits- und Krankenpflegeschule südlich der Elbe verhindern. Bis zum gestrigen Abend haben rund 500 Menschen die Petition unterschrieben.
Die 1958 eröffnete Einrichtung am 1. Oktober zu schließen, sei eine „unternehmerische Entscheidung“, sagt Krankenhaus-Sprecherin Sarah Sieweke. Grund seien „höhere Anforderungen an die IT“ im Zusammenhang mit dem 2017 verabschiedeten Gesetz zur Reform der Pflegeberufe, mit dem seit diesem Jahr die Ausbildung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger*innen zusammengelegt wurde.
Für Mirjam Mikoleit, Leiterin der Pflegefachschule, sind „die genannten Gründe der Geschäftsführung zur Schulschließung nicht nachvollziehbar“. Denn mit der Pflegeberufereform wurden Landesfonds eingeführt, die eine „wettbewerbsneutrale“ Finanzierung dieser Ausbildungsplätze ermöglichen sollen. Auch die Krankenhäuser und die Stadt Hamburg zahlen in diesen Fond ein. Alle laufenden Kosten der Ausbildung werden finanziert, bestätigt Waltraud Jansen, Geschäftsführerin des Ausbildungsfonds Pflege Hamburg. Nur Investitionskosten seien ausgeschlossen.
Dass sich durch die Reform die Bedingungen für die Schulen verbessert haben, bestätigt auch Karlheinz Kruse, Projektleiter der Pflegeberufereform am Hamburger Institut für Berufliche Bildung. Für die technische Ausstattung stünden zudem Mittel aus dem Digitalpakt bereit.
Gerüchten, die Schließung der Pflegefachschule hänge mit einem geplanten Verkauf des Krankenhauses Groß-Sand zusammen, widerspricht der Pressesprecher des Erzbistums, Manfred Nielen. Gesucht werde nur nach einem „strategischen Partner“, der sich „in der Mehrheit finanziell beteiligt“. Im vergangenen Jahr hatte das Erzbistum angekündigt, vier seiner acht Krankenhäuser in Hamburg zu verkaufen (taz berichtete).
Für die Ärzte des Krankenhauses, in dem die praktische Ausbildung stattfindet, wäre die Schließung der Pflegeschule „ein großer Verlust“, sagt der Chefarzt der Chirurgie, Wolfgang Reinpold. In einem offenen Brief bekennt sich seine Abteilung zu den „exzellent ausgebildeten“ Pfleger*innen auf der Station.
Zwar ist die Pflegeschule in Groß-Sand mit 75 Ausbildungsplätzen klein, aber „gerade in der Pflege ist interdisziplinäres Arbeiten dadurch besser möglich“, sagt Dana Janßen, eine Mitorganisatorin der Protestbewegung „Pflegeschule Wilhelmsburg bleibt“. „Sorgen und Ängste dringen schneller nach oben durch“, sagt die ehemalige Auszubildende, die nun im angeschlossenen Krankenhaus als Pflegerin arbeitet.
Es sei „wichtig, dass Auszubildende im Beruf gehalten werden“, sagt Deniz Çelik, gesundheits- und gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion. „Weil wir einen chronischen Pflegenotstand haben, wäre es besonders fatal, eine gute Pflegeschule zu verlieren“, sagt er. Die Stadt müsse tätig werden, wenn der Träger die Schule nicht allein halten könne: „Wenn im Zuge der Coronakrise Milliarden in die Hand genommen werden, um Unternehmen zu retten, dann muss erst recht in Krankenhäuser, die für das Gemeinwohl die größte Bedeutung haben, investiert werden.“
Unterstützung kommt nun auch von SPD und Grünen. Gestern beantragten sie, dass sich der Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft am 25. August mit dem Krankenhaus Groß-Sand und der zugehörigen Pflegeschule befasst. „Die berechtigten Fragen rund um die drohende Schließung der Klinik Groß-Sand und der angegliederten Krankenpflegeschule müssen dringend geklärt werden“, sagt Linus Jünemann, pflegepolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion. „Die Schule ist in Hamburg einzigartig, was ihre Arbeit in den Stadtteil hinein und die besondere Unterstützung der Auszubildenden angeht. Es wäre ein großer Verlust, wenn diese Arbeit verloren geht.“
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