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Coronazahlen bereiten Sorgen

Das Robert-Koch-Institut appelliert an die Bevölkerung, die Krankheit weiterhin ernst zu nehmen. Die Testpflicht für Reisende kommt wohl nächste Woche

Von Tobias Schulze

Das Robert-Koch-Institut ist besorgt. Weil die Zahl der gemeldeten Corona­neuinfektionen derzeit wieder etwas höher liegt als in den vergangenen Wochen, beraumte die oberste Gesundheitsbehörde für den Dienstagvormittag wieder mal eine Corona­pressekonferenz ein. Behördenchef Lothar Wieler mahnte dort mehrfach, die Gefahren der Pandemie weiterhin ernst zu nehmen.

„Wir wissen nicht, ob das der Beginn einer zweiten Welle ist. Aber er kann es natürlich sein“, sagte Wieler. Ihm zufolge kann die Krankheit zwar weiterhin eingedämmt werden, falls sich die Bevölkerung an die gängigen Hygieneregeln hält. Das Institut nehme allerdings wahr, dass die Vorsicht schwinde. Eine aktuelle Umfrage zeige, „dass das Coronavirus von der Bevölkerung als ein geringeres Risiko angesehen wird als zuvor und dass die Akzeptanz von Maßnahmen wie der AHA-Regel weiter gesunken ist“, sagte Wieler. Die Abkürzung „AHA“ steht für Abstand, Hygiene und Alltagsmasken.

Anlass für den Appell sind die Fallzahlen der vergangenen sieben Tage. 633 neue Corona-Infektionen vermeldete das RKI am Dienstag. Am vergangenen Freitag lag der Wert bei 781, am Samstag bei 815. Nur am Sonntag und Montag waren die Zahlen deutlich niedriger, was aber nicht überrascht, da viele Gesundheitsämter ihre Daten an Wochenenden nicht an das Institut übermitteln.

Die aktuellen Zahlen liegen erheblich unter denen aus dem Frühjahr, als an einzelnen Tagen über 5.000 Neuinfektionen registriert wurden. Sie sind aber höher als in den vergangenen Wochen, in denen der Wert meist zwischen 300 und 500 schwankte.

Auffallend ist laut der RKI-Expertin Ute Rexroth, dass die Neuinfektio­nen derzeit nicht auf wenige große Corona-Ausbrüche zurückzuführen sind, sondern dass die Krankheit relativ flächendeckend auftrete. „Es ist nicht nur ein Landkreis, sondern es sind leider viele betroffen“, sagte Rexroth. Menschen infizierten sich unter anderem auf Familienfeiern, bei Treffen mit Freunden, an Arbeitsplätzen oder in Gemeinschaftsunterkünften. Auch die Zahl infizierter Reiserückkehrer steige. Der größte Teil der Betroffenen habe sich aber in Deutschland infiziert.

Im Mittelpunkt der politischen Debatte steht derzeit trotzdem die Testpflicht für Reisende, die aus Ländern zurückkehren, die die Bundesregierung als Risikogebiete einstuft. Bislang gilt für diese Personengruppe eine 14-tägige Quarantänepflicht, die die Behörden aber nicht konsequent kontrollieren. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat deshalb am Montag angekündigt, in der kommenden Woche eine Testpflicht anzuordnen. Für die Reisenden sollen die Tests kostenlos sein. Die Finanzierung ist bislang nicht geklärt.

Der Verfassungsrechtler Thorsten Kingreen hält eine Testpflicht für zulässig. „Das ist zwar ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. So ein Abstrich ist ja nicht angenehm. Aber er ist durch das Ziel, Infektionen zu verhindern, gerechtfertigt“, sagte er der taz. Für grundsätzlich zulässig hielte er sogar eine generelle Testpflicht für jedermann: „Testen, testen, testen ist das Entscheidende, um schwerwiegende Freiheitseingriffe durch einen Total-Lockdown zu verhindern. Eine flächendeckende Testpflicht ist aber derzeit einfach nicht praktikabel, zumal es ja nicht ausreicht, die Menschen nur einmal zu testen.“ Kingreen hielte es zwar grundsätzlich für richtig, wenn die Reisenden selbst die Tests bezahlen müssten. Allerdings sei das im Infektionsschutzgesetz nicht vorgesehen. Sollten die Tests kostenpflichtig werden, bedürfe das einer neuen gesetzlichen Regelung.

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