Hamburg schafft Bürgerbeteiligung ab: Die einzige grüne Kröte

Mit den Deputationen hatte Hamburgs Zivilgesellschaft einen Fuß in der Tür der Machtapparate. Rot-Grün will diese Kontrolle einschränken.

Vorderansicht des Hamburger Rathauses

Deputationen sind 400 Jahre älter als das Hamburger Rathaus, nun sollen sie überflüssig sein Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Ausgerechnet die Grünen wollen mit den Deputationen eine 500 Jahre alte Beteiligungsinstitution abschaffen. Es ist, so hört man aus der SPD, die einzige grüne Kröte, die sie für diese Koalition schlucken musste.

Oha. Grüne schaffen Kontrolle der Mächtigen ab? Eine Institution, die einst die Bürger dem Adel abtrotzten. Das scheint paradox und war auch nicht im Wahlkampf zu hören. Gruselig, wenn nun SPD und Grüne ihre Zweidrittelmehrheit mit 87 von 123 Stimmen gleich in der ersten Sitzung nutzen, um für diese grüne „Kröte“ die Verfassung zu ändern. Mehrheit allein entbindet Rot-Grün nicht, sich zu erklären.

Liest man einen uralten Grünen-Antrag von 2013, erhellt sich ein wenig die Motivation. Die Deputationen seien vertraulich und damit nicht transparent. Für alle Behörden ließen sich ohne sie ein paar Hunderttausend Euro Sitzungskosten und Kopiergeld sparen. Das, was bisher in „Depus“ entschieden wurde – etwa Richtlinien und Bildungspläne – sollte „auf andere Gremien“ unterhalb des Parlaments übergehen. Das Parlament selber sollte den übrigen Kuchen bekommen, also das Recht, neue Amtsleiter vor Bestellung ins Gebet zu nehmen, und mehr Akten zu lesen.

Die Vorschläge lesen sich, als seien sie aus der Feder leidgeprüfter mittlerer grüner Funktionäre, die viele langweilige Depu-Sitzungen ertrugen. Nur: in dem Antrag von gestern steht von diesen Ideen nichts mehr. Und es mehren sich die Stimmen, denen die 500 Jahre alte Tradition lieber ist als nichts.

Behördenchefs können durchregieren

Die nun versprochene Transparenz ersetzt nicht dieses Beteiligungsformat – zumal nur „bestimmte Informationen“ zugänglich sein sollen, sofern dem nicht „öffentliche Belange, Rechte Dritter oder gesetzliche Vorschriften“ entgegen stünden. Näheres regele ein Gesetz.

Das heißt im schlimmsten Fall: Die Behördenchefs regieren durch, erlassen Verordnungen, schließen Schulen wie sie wollen, ohne dass ihnen dieses Bürgergremium eine Rechtfertigung abverlangt. Und kritische Entscheidungen sickern nicht mehr frühzeitig an die Öffentlichkeit durch. Mit den „Depus“ hatte die Zivilgesellschaft einen Fuß in der Tür. Knallt die zu, können die Machtapparate agieren, wie sie wollen.

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