Sachsen bekommt Gemeinschaftsschulen: Schulfrieden nach 30 Jahren

Die Gemeinschaftsschule ist künftig im sächsischen Schulgesetz verankert. Schüler können fortan über die vierte Klasse hinaus gemeinsam lernen.

SchülerInnen stehen an einer Straße.

Können bald länger gemeinsam zur Schule gehen: SchülerInnen im sächsischen Heidenau Foto: Daniel Schäfer/imago

DRESDEN taz | Vor allem die SPD feiert die Verankerung der Gemeinschaftsschule im sächsischen Schulgesetz am Mittwoch als Erfolg jahrzehntelanger Bemühungen. „Langer Atem lohnt sich“, meinte der Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Martin Dulig und verwies auf 16 Jahre sozialdemokratische Bemühungen um das längere gemeinsame Lernen in Sachsen.

„Nach 30 Jahren wird in Sachsen Schulfrieden hergestellt“, erklärte Schulpolitikerin Sabine Friedel schon vor der Verabschiedung des allerdings modifizierten Volksantrages am Mittwoch im Landtag. Damit schließt Sachsen zu den Nachbarländern Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, die schon seit etwa zehn Jahren längeres gemeinsames Lernen ermöglichen. Etwa die Hälfte der Bundesländer lässt diese Option zu, allein in Baden-Württemberg gibt es 271 Gemeinschaftsschulen.

SPD, Linke und Grüne unterstützten den sächsischen Volksantrag, für den eine Initiative in den Jahren 2018 und 2019 etwa 51.000 Unterschriften sammelte. Nach dem Landtagswahlergebnis vom 1. September des Vorjahres machte die SPD die Gemeinschaftsschule zur Bedingung für den Eintritt in die Dreierkoalition mit CDU und Grünen. Die Behandlung des Volksantrages steht im Koalitionsvertrag. Die Erfahrungen der ersten CDU-SPD-Koalition in Sachsen zwischen 2004 und 2009 sollten sich nicht ­wiederholen. Die Sozialdemokraten konnten der CDU damals zwar neun Gemeinschaftsschulversuche abringen, die aber in der nachfolgenden schwarz-gelben Legislaturperiode wieder zurückgenommen wurden.

Nun hat die Landtagsmehrheit zwar die Option der Gemeinschaftsschule im Schulgesetz verankert, als „sanfte Ergänzung“, wie die Initiatoren des Volksantrags diplomatisch betonten. Bis zum Abitur soll sie möglich sein, für den Realschulabschluss wird eine Variante „Oberschule +“ eingeführt. Doch die CDU hat höhere Hürden für die Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule durchgesetzt als im ursprünglichen Volksantrag vorgesehen. So müssen sie ab Klasse fünf mindestens vierzügig geführt werden, für ländliche Räume gelten Sonderregelungen.

SPD und Grüne loben Durchbruch zur Gemeinschaftsschule

Vor allem SPD und Grüne loben nun den Durchbruch zur gesetzlich verankerten Gemeinschaftsschule an sich, während die Initiatoren des Volksantrages ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Es ist ein herber Schlag, dass die Koalition diese neue Schulart so stark einschränkt“, kritisieren die Vertrauenspersonen Doreen Taubert und Burkhard Naumann. Der ursprüngliche Antrag sei bereits ein basisdemokratisch erarbeiteter Kompromiss gewesen. Die verpflichtenden Größenvorgaben und die bürokratischen Hürden würden abschrecken und für viele Initiativen das Aus bedeuten, fürchten die beiden Sprecher. Über die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule muss die Schulkonferenz entscheiden, in der Lehrer, Eltern und Schüler vertreten sind.

Mit den von der CDU durchgesetzten Änderungen gilt der Volksantrag als abgelehnt. Die Initiatoren wollen in der kommenden Woche entscheiden, ob sie nunmehr ein Volksbegehren für einen Volksentscheid einleiten, an den der Landtag gebunden wäre. Nicht überraschend warnt der Sächsische Lehrerverband vor einer Art Kannibalismus in ländlichen Räumen. Wegen der geforderten Mindestgrößen könnten Gemeinschaftsschulprojekte anderen Schulen die Schüler abwerben und damit zu Schließungen führen. Die Gemeinschaftsschule sei keine „Wunderschule“, die automatisch zu besseren Leistungen führe, erklärte Landesvorsitzender Jens Weichelt.

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