: Picknick gegen Abschiebungen
Am Wochenende gab es am Kreuzberger Oranienplatz zum ersten Mal seit Monaten wieder die Küche für alle gegen Abschiebungen
Paul O.
Von Björn Brinkmann
Am Samstagnachmittag fand am Oranienplatz die erste Küche für Alle (Küfa) des „Anti-Deportation Cafés“ seit Beginn der Corona-Pandemie statt. Mit der Veranstaltungsreihe sammelt ein Netzwerk von ehrenamtlichen Gruppen seit etwa zwei Jahren Gelder für Menschen, die in Berlin gegen ihre Abschiebung kämpfen.
Um nach Monaten der Coronabeschränkungen die Spendensammlung über Essensverkauf wieder aufnehmen zu können, haben die Veranstalter vom Anti-Deportation Café das Konzept nun an die Hygienevorschriften angepasst: Die „Küfa“ fand nicht wie sonst mit Sitzgelegenheit in der jeweils gastgebenden Einrichtung statt, sondern als sogenanntes “Guerrilla Picknick“. “Holt euer Essen ab in Bilgisaray und schwärmt Oranienplatz!“, hieß es im Original-Einladungstext.
Man habe sich zu der Outdoor-Variante entschieden, um einen optimalen Infektionsschutz zu gewährleisten, so Jonas K. vom Organisationsteam. Auch der Ort sei kein Zufall. „Wir wollen den Oranienplatz wieder für Refugee-Themen repolitisieren.“ Von 2012 bis 2014 hielten Geflüchtete den Kreuzberger „O-Platz“ besetzt um gegen das deutsche Asylrecht zu protestieren.
Einige Forderungen des Anti-Deportation Cafés decken sich dabei mit denen der damaligen Proteste: „Jede einzelne Abschiebung ist inakzeptabel“, so Jonas K. vom Küchenteam. „Deportationen sind immer eine potenziell lebensgefährdende Bedrohung für die Betroffenen.“
Nun komme allerdings noch die Pandemie hinzu. In Berlin hatte das Land Abschiebungen zwar in den ersten Wochen der Coronamaßnahmen ausgesetzt, jedoch wieder aufgenommen, sobald der Flugverkehr wieder anrollte. Nun soll laut Pro Asyl nur in Länder abgeschoben werden, die laut offiziellen Erhebungen weniger vom Virus betroffen sind, als Deutschland.
Dass derartige Erhebungen ein fragwürdiges Mittel zur Abschätzung der Risiken sind, zeigen Erzählungen von Paul O. aus Kamerun: „In meinem Heimatland kostet ein Coronatest umgerechnet 160 Euro. Hier ist er kostenlos.“ Auch sei der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung oft nicht gegeben. „An solche Orte abzuschieben ist wirklich empörend“, so der Kameruner.
Dass während der letzten Monate keine solidarischen Kochaktionen vom Anti-Deportation Café stattfanden, steht laut den Organisatoren für ein allgemeineres Problem: „In Coronazeiten ist es viel schwieriger für die von Abschiebungen Bedrohten, weil die Leute weniger solidarisch sind“, meint Jonas K. von den Veranstaltern der Küfa. Dabei sei die Notlage für Geflüchtete unverändert.
Auch unter den Gästen teilt man diese Beobachtung. „Als Corona anfing, gab es zwar viele solidarische Aktionen, aber die haben sich viel auf Nachbarschaftshilfen konzentriert“, berichtet Luisa Murken. Sie hat über die Facebookseite der Seebrücke vom Anti-Deportation Café erfahren. „Es wurde eher über durchgeknallte Verschwörungstheoretiker berichtet als über Refugees.“ Vor dem Kultursalon Bilgisaray bildet sich unterdessen eine kleine Schlange. „Für ein erstes Mal läuft das Picknick nicht schlecht“, so Jonas K. vom Küchenteam. Das Ziel sei jetzt, wieder zum wöchentlichen Präcorona-Rhythmus zurückzukehren. Derweil stehe die Küfa auch in Verbindung zu den aktuellen weltweiten Antirassismusprotesten. „Es ist Zeit, dass wir Abschiebungen als Teil des strukturellen Rassismus hier in Deutschland anerkennen.“
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