Wegen Rückgang der Auto-Nachfrage: Doch kein VW-Werk für Erdoğan

Corona macht möglich, was die Kritik an Menschenrechtsverletzungen nicht erreicht hat: VW stoppt ein geplantes Werk in der Türkei.

Seine Nachfolger müssen auch weiterhin importiert werden: VW-Käfer auf einer Autobahn in der Türkei Foto: Alex Kraus/laif

Der größte deutsche Autobauer hat seine Pläne, in der Türkei ein großes neues Werk zu bauen, gestoppt. Das teilte Volkswagen-Chef Herbert Diess in einem Schreiben an den türkischen Industrieminister Mustafa Varank mit, das am Donnerstag von Reuters veröffentlicht wurde.

Angesichts des weltweiten Einbruchs bei Autoverkäufen sei es nicht sinnvoll, jetzt noch ein neues Werk zu bauen, heißt es darin. Diess bedankte sich in dem Brief bei Präsident Recep Tayyip Erdoğan für dessen Unterstützung und verspricht, Volkswagen werde nach Überwindung der Corona-Epidemie in zwei oder drei Jahren die Lage noch einmal neu bewerten. Der Türkei attestierte er ein großes Potenzial für die Zukunft.

Damit kann VW dank Corona erst einmal ein Kapitel zu den Akten legen, das auch politisch für viel Unmut gesorgt hatte. Der Konzern wollte in der Westtürkei, in Manisa nahe bei Izmir, ein sogenanntes Mehrmarkenwerk bauen, in dem pro Jahr 300.000 Fahrzeuge vorwiegend für den osteuropäischen und nahöstlichen Markt produziert werden sollten. Vorgesehen war eine Investitionssumme von rund 1 Milliarde Euro. Das Werk sollte mindestens 4.000 Menschen eine Beschäftigung bieten.

Nach Bekanntwerden der Pläne hagelte es in Deutschland Kritik, dass VW damit ausgerechnet den Autokraten Erdoğan unterstützen würde, obwohl dieser mit Deutschland und der Bundesregierung vielfach über Kreuz liegt. Rückendeckung bekam das VW-Management dagegen vom niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil, der das Land Niedersachsen als größten Anteilseigner im Aufsichtsrat vertritt, sowie von den Gewerkschaften.

Denn in Deutschland sollten keine Arbeitsplätze wegfallen, sondern das VW-Werk Emden sollte auf E-Autos umgestellt werden, während man in der Türkei weiterhin Verbrenner produzieren wollte.

Gute Gelegenheit zum Herauswinden

Folglich bereitete VW seine Pläne weiter vor, gründete bereits eine Tochtergesellschaft in der Türkei und einigte sich mit den türkischen Behörden auf das Grundstück sowie auf weitere Subventionen, die Erdoğan VW in Aussicht stellte. Dies rief wiederum die EU auf den Plan, weil es einen von VW angefachten Subventionswettlauf zwischen der Türkei und Bulgarien gegeben hatte.

Den verlor Bulgarien letztlich, weil nach den Regeln der EU nur ein bestimmter Anteil an Subventionen zulässig ist, den Erdoğan offenbar locker überbot. VW stellt sich damit gegen die EU-Regeln, hieß es in Brüssel.

Als mitten in der Debatte im Oktober letzten Jahres dann noch die türkische Armee im Nordirak einmarschierte, wurde die Umsetzung der Baupläne erst einmal auf Eis gelegt. Zu heikel für den Moment. VW wollte abwarten, bis sich die erste Empörung über die türkische Aggression wieder gelegt hatte.

Die Coronakrise ist nun für VW-Chef Diess eine gute Gelegenheit, sich, ohne die türkische Seite zu verärgern, erst einmal aus der politisch verfahrenen Situation herauszuwinden. Die Verbrenner-Produktion, die den E-Autos in Emden Platz machen soll, wird auf bestehende Werke umverteilt. Sollten allerdings die Autoverkäufe nach der Coronakrise wieder relevant ansteigen, behält VW sich vor, sein Engagement in der Türkei wieder zu reaktivieren. Politische Vorbehalte, sich in der Türkei zu engagieren, hat VW-Chef Diess, wie sein Schreiben zeigt, offenbar nach wie vor nicht.

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