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Bloß kein Ausbruch!

Anfang April infizierten sich Patient*innen und Mitarbeiter*innen der Asklepios Klinik Harburg mit dem Coronavirus. Von einem Krankenhaus-Ausbruch will die Gesundheitsbehörde trotzdem nicht sprechen

Auch hier waren Mit­arbeiter*in­nen und Patient*in­nen mit dem Coronavirus infiziert: Asklepios Klinik Harburg Foto: Andre Lenthe/Imago

Von Marthe Ruddat

Die Liste war länger als vermutet: Anfang Mai war durch die Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Deniz Çelik bekannt geworden, dass es mehr Ausbrüche von Covid-19 in Hamburger Krankenhäusern gegeben hatte, als bis dahin angenommen (taz berichtete). Auffällig war dabei auch, dass ein Infektionsgeschehen in der Asklepios Klinik Harburg nicht in der Liste auftauchte. Bis heute will die Gesundheitsbehörde in dem Fall nicht von einem Ausbruch sprechen. Vertreter*innen der Opposition kritisieren deshalb mangelnde Transparenz und fehlenden Aufklärungswillen in der Behörde.

Dass es Anfang April mehrere Coronafälle in der Harburger Klinik gegeben hatte, wurde durch einen Bericht des Spiegel öffentlich. Dort hatten sich demnach nach einem Bericht über den Corona-Ausbruch in der Krebsabteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zwei Mitarbeiterinnen des Krankenhauses gemeldet und gesagt, in Harburg werde ein nosokomialer Ausbruch vertuscht. Nosokomial ist eine Infektion, wenn jemand sie im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme bekommt, beispielsweise im Krankenhaus.

In das Krankenhaus waren zwei Patienten aus einem Pflegeheim eingeliefert worden. Als sie in der Klinik waren, stellte sich bei beiden heraus, dass sie mit Corona infiziert waren. Von zwei Stationen mussten 48 Mitarbeiter*innen als Kontaktpersonen der beiden Patienten in Quarantäne. Fünf Mitarbeiter*innen und vier Patient*innen wurden positiv getestet, wie ein Asklepios-Sprecher mitteilte.

Auf der abgefragten Liste der von Gesundheitsämtern gemeldeten nosokomialen Ausbrüchen von Covid-19 in Krankenhäusern steht der Fall trotzdem nicht, obwohl laut Infektionsschutzgesetz ein nosokomialer Ausbruch beim Gesundheitsamt meldepflichtig ist, wenn zwei oder mehr Personen sich beispielsweise im Krankenhaus infiziert haben und ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist.

Laut Gesundheitsbehörde handelte es sich in Harburg aber nicht um ein nosokomiales Ausbruchsgeschehen. Zu dem Ergebnis seien das Gesundheitsamt Harburg und die Asklepios Klinik Harburg gekommen, weil bei den Fällen kein epidemischer Zusammenhang bestehe, wie die Sprecherin des Bezirksamts Harburg auf taz-Anfrage mitteilt. Dabei ist genau dieser Zusammenhang offensichtlich, schließlich sind Menschen im Krankenhaus infiziert worden, anschließend Kontaktpersonen ermittelt worden und auch unter diesen gibt es mehr als zwei positiv Getestete.

Und auch der Asklepios-Sprecher schreibt von einer Infektionskette, die nicht hätte entstehen müssen. Asklepios wirft dem Pflegeheim vor, nicht über den Coronaverdacht bei einem der Patienten informiert worden zu sein. Auf Nachfrage, wie man zu dem Schluss komme, dass kein epidemischer Zusammenhang bestehe, heißt es aus dem Bezirksamt Harburg, Weiteres habe man nicht hinzuzufügen.

Diese Antwort sei nicht nachvollziehbar, sagt Deniz Çelik. „Das verstärkt den Eindruck, dass die Öffentlichkeit nicht transparent informiert wird.“

„Für mich bleiben in diesem Zusammenhang viele Fragen offen“

Birgit Stöver (CDU), Bürgerschaftsabgeordnete

Birgit Stöver (CDU), die ihren Wahlkreis in Harburg hat, hatte die Infektionen auch im Coronasonderausschuss angesprochen und darauf hingewiesen, dass es sich um mehr als zwei Fälle handelt und dass die Infektion auf „Patienten und Personal übergegriffen hat“, wie dem Wortprotokoll der Sitzung zu entnehmen ist. Demnach ist immer noch nicht klar, wo die Information über den Coronaverdacht verloren gegangen ist.

„Für mich bleiben in diesem Zusammenhang viele Fragen offen“, sagt Stöver zur taz. Die Fälle wurden aus ihrer Sicht nicht wirklich aufgearbeitet. Und sie frage sich, ob das ganze Geschehen anders gehandhabt worden wäre, wenn nicht kurz vor den Fällen in der Asklepios Klinik Harburg der Leiter des dortigen Gesundheitsamtes freigestellt worden wäre.

Anfangs hieß es noch, dieser würde Überstunden abbauen und Urlaubstage nehmen. Mittlerweile ist klar, dass er jetzt einen Posten bei der Polizei hat. Ganz freiwillig soll der Wechsel nicht gewesen sein, genaue Hintergründe aber sind Spekulation. Klar ist, dass die Leitung des Amts derzeit ausgeschrieben ist und zum 1. Juli neu besetzt werden soll. Eine Ärztin aus dem schulärztlichen Dienst hat die Vertretung übernommen.

Was genau vorgefallen ist, sei egal, sagt Stöver. „Es ist unsäglich, in Krisenzeiten einem gut funktionierenden Amt die Führung zu nehmen.“ Dadurch dass das Personal im Harburger Gesundheitsamt seit Mitte April aufgestockt worden sei und die Infektionszahlen derzeit gering seien, könnten Infektionen dort gegenwärtig gut nachvollzogen werden.

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