: Länger Bafög mit Corona
Studierende der Bremer Hochschulen demonstrieren für ein Solidarsemester. Auf ein paar Verbesserungen können sie sich einstellen, alle Wünsche aber werden nicht erfüllt
Von Lotta Drügemöller
In der Unibibliothek lässt‘s sich nicht arbeiten, Seminare gibt‘s nur online, Prüfungen werden verschoben – ein Studium in Coronazeiten läuft „sehr, sehr zäh“, findet Architekturstudentin Luna Grommes. „Alles dauert länger“, sagt sie, ein Vollzeitstudium sei so kaum möglich.
Die Konsequenz für sie und andere: Ein Solidarsemester. Das fordern Studierende aller Bremer Hochschulen von der Landesregierung und demonstrierten dafür am Mittwoch vor dem Börsenhof A, wo zeitgleich der Bürgerschaftsausschuss für Wissenschaft tagte.
Drei Forderungen stellen die Student*innen auf: Die Regelstudienzeit soll auf Landesebene pauschal um ein Semester verlängert werden, damit Studierende keine Probleme mit dem BAFöG bekommen. Zweitens soll es im Coronasemester Prüfungsfreiversuche geben. Und schließlich fordern sie die Abschaffung aller Studiengebühren.
Verbesserungen will die rot--grün-rote Koalition durchaus beschließen: Der Ausschuss hat sich am Mittwoch mit einem neuen Entwurf für das Bremer Hochschulgesetz beschäftigt, im Juli soll er von der Bürgerschaft verabschiedet werden.
Der größte Erfolg für die Studierenden: Ab dem Wintersemester werden die Langzeitstudiengebühren gestrichen. Bisher zahlten Studierende ab dem 15. Semester 500 Euro pro Halbjahr; in diesem Juli wird der Betrag erstmals nicht fällig, die Änderung soll dauerhaft gelten. „Ein großer Schritt“, lobt AStA-Vertreter Marlin Meier auf der Demo, die etwa 40 Protestierenden klatschen Beifall.
Gefordert wurde das schon lange, Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (SPD) ließ aber gegenüber dem Weser-Kurier wissen, dass das Coronasemester ausschlaggebend für die Entscheidung war.
Was dagegen bleibt, sind die Verwaltungsgebühren: 62 Euro müssen Bremer Studierende pro Semester dafür zahlen. Rot-Rot-Grün will das ändern, die Abschaffung steht im Koalitionsvertrag. „Ich persönlich unterstütze das Anliegen, eine Umsetzung wäre eine tolle Sache“, so Janina Brünjes, hochschulpolitische Sprecherin der SPD. „Als Linke waren wir immer dafür, den Beitrag abzuschaffen“, sagt Miriam Strunge, bildungspolitische Sprecherin der Linken.
Allein es fehlt das Geld: Im Doppelhaushalt 2020/21 ist die Abschaffung nicht vorgesehen. Für Meier vom AStA ist das ein Armutszeugnis: „Das war eine Priorität im Koalitionsvertrag. Wenn das nicht reicht, um die Gebühren abzuschaffen, weiß ich nicht, was reichen soll.“
Finn Schale, AStA Bremen
Nicht umgesetzt wird die Forderung der Studierenden, die Regelstudienzeit in Bremen um ein Semester zu verlängern. Allerdings, so der Alternativplan der Koalition, müssen Studierende beim BAFöG-Amt nicht extra nachweisen, dass sie dieses Semester schlecht studieren konnten – Corona gilt pauschal als „schwerwiegender Grund“.
Da die Regelstudienzeit nur für BAFöG-Zahlungen wichtig ist, ist für die Fraktionen damit alles geklärt: „Wir freuen uns sehr über diese Einigung“, so Solveig Eschen, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen. „De facto ist das Problem gelöst“, sagt auch Strunge. Die Studierenden dagegen sind nicht glücklich: „Unverhältnismäßig“ findet AStA-Mitglied Finn Schale den Aufwand für einen Antrag. „Damit geben wir uns nicht zufrieden.“
Neben Studiengebühren und Regelstudienzeit ist ihm die Forderung nach Freiprüfungen besonders wichtig. „Es herrscht viel Unklarheit über die Prüfungen“, so der AStA-Vertreter. „Ich habe in zwei Wochen eine Prüfung – und weiß noch nicht, ob die stattfinden wird.“ Ohne zu wissen, ob man für eine oder zwei Klausuren lernen muss und ob man schriftlich oder mündlich geprüft werde, sei die Vorbereitung unheimlich schwierig. „Es kann nicht sein, dass eine verpatzte Prüfung unter diesen Umständen als Fehlversuch gezählt wird“, so Schale.
Die Koalition plant, mit den Hochschulen eine Rahmenvereinbarung zu schließen, um Freiversuche möglich zu machen. Doch Schale winkt ab: „Der Konrektor für Lehre an der Uni hat mehrfach klar gemacht, dass er von Freiversuchen nichts hält.“ Auch Meier glaubt nicht an diese Lösung: „Dieses Hin- und Herschieben von Verantwortung kennen wir schon: Die Uni beruft sich auf das Hochschulgesetz, der Senat auf die Prüfungsordnung der Uni.“
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