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Viel Lärm um nichts

Werder Bremen ist beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt Opfer seiner intensiven Spielweise. Gegen Wolfsburg soll die Strategie wieder aufgehen

Wieder einmal zu spät: Werder-Spieler Maximilian Eggestein lässt Daichi Kamada den Vortritt Foto: reuters

Aus Bremen Ralf Lorenzen

Wenn die Heimmannschaft 0:3 verliert, warten Reporter*innen beim Schlusspfiff normalerweise gespannt darauf, ob das Publikum pfeift. Von dieser Art der Bestrafung bleiben Fußball-Profis in Geisterspiel-Zeiten befreit. In Bremen wäre es auch bei voll besetztem Stadion wohl nur zu vereinzelten Unmutsäußerungen gekommen – dort haben die abstiegskampferprobten Fans gelernt, was die Mannschaft im entscheidenden Augenblick braucht.

Wie am 14. Mai 2016, als es ebenfalls im Abstiegskampf gegen Eintracht Frankfurt ging. Die ganze Stadt schickte ihre Energie an den Osterdeich, wo Tausende Fans die „Green White Wonderwall“ bildeten, durch die der Mannschaftsbus selbst mit Polizeihilfe nur schrittweise vorwärtskam. Am Mittwochabend passierte der Bus nur ein paar Flaneure, die die Abendsonne genossen. In Bremen, wo das Stadion mitten im Wohngebiet liegt und einem Spannung und Vorfreude schon vor dem Spiel aus jeder Kneipentür entgegenströmen, sind Geisterspiele noch etwas trauriger als andernorts.

Als der Schlusspfiff nach dem 0:3 gegen Eintracht Frankfurt erklang, legte Stadionsprecher Arndt Zeigler, der sich zuvor bei 42.500 Zuschauern fürs Nichtkommen bedankt hatte, eine instrumentale Largo-Version der Stadionhymne „Lebenslang grün weiß“ auf. Sehr leise, sehr getragen. Dort heißt es an einer Stelle: „Wir gehör’n zusammen – ihr seid cool und wir sind heiß.“ Zwei Eigenschaften, die Mittwochabend auseinanderfielen. Gewonnen haben die Coolen.

Nach dem Re-Start der Bundesliga hatte Werder-Trainer Florian Kohfeldt seine Spieler darauf vorbereitet, sich ohne die „Wonderwall“ gegen den Abstieg zu stemmen. Er beschwor den „Tunnel“, in den jetzt jeder bis zum Klassenerhalt bleiben müsse. Damit das kein Spieler auch nur eine Sekunde vergisst, machten die Reservisten und Betreuer während des Spiels Lärm, als wollten sie die Wonderwall ersetzen. Sie klopften auf die Sitze und feuerten jede Aktion an. Ein Betreuer schlug mit einem Gummihammer so auf eine mit „AOK“ beschriftete Blechkiste ein, dass sie ähnlich ramponiert aussah wie das Gesundheitssystem.

Das nervte die Frankfurter Bank offenbar so sehr, dass Trainer Adi Hütter nach dem Spiel trotz Sieg ätzte, er würde es als Cheftrainer nicht dulden, „wenn Torwarttrainer und Co-Trainer so aufmüpfig“ seien und „so weit vorne in der Coaching-Zone stehen“.

Im ersten Geisterspiel war die Werder-Mannschaft noch sang- und klanglos gegen Bayer Leverkusen untergegangen. Und hatte stimmgewaltige Vereinslegenden wie Rune Bratseth und Dieter Burdenski auf den Plan gerufen, die das Management heftig für das konsequente Festhalten an Trainer Florian Kohfeldt kritisierten. Doch Sportchef Frank Baumann blieb seiner Überzeugung treu, dass kein anderer als das Eigengewächs Kohfeldt mit seinen Fähigkeiten in Spielerführung und Kommunikation so gut zu diesem Klub passt.

Die Reservisten und Betreuer lärmten während des Spiels, als wollten sie die Wonderwall ersetzen

Dass die Mannschaft danach mit kampfstarken Leistungen sieben Punkte in Folge einfuhr, führte Kohfeldt vor allem darauf zurück, dass die beispiellose Verletzungsserie vorbei und die Mannschaft nach der Coronapause endlich körperlich im Topszustand sei. So konnte er gegen Frankfurt beispielsweise Fin Bartels das erste Mal seit seinem Achillessehnennriss im Dezember 2017 in der Startelf aufstellen.

In der ersten Hälfte hielten die Bremer den Gegner konzentriert in Schach und kamen selbst zu einigen vielversprechenden Szenen, in denen aber die Abgeklärtheit fehlte. Nach einer knappen Stunde forderte das intensive Laufspiel seinen Tribut und den cool gebliebenen Frankfurtern boten sich mehr Lücken für ihre Kombinationen. Zwei von ihnen nutze Filip Kostićfür seine präzisen Vorlagen zu den Toren von André Miguel Valente da Silva und dem 19 Sekunden zuvor eingewechselten Stefan Ilsanker vor. Das 3:0 durch Ilsanker ramponierte nur noch das Bremer Torverhältnis weiter.

„Das ist ein Rückschlag, aber kein K.o.-Schlag“, sagte Kohfeldt. „Im Abstiegskampf ist es ein großer Schlüssel, einen Rückschlag gut zu verarbeiten.“ Werder spielt aktuell zwar auf einem anderen Niveau als vor der Coronapause. Die Frage ist, ob das Team es noch oft genug schafft, die intensive Spielwiese ohne Fans über ein ganzes Spiel durchzuhalten. Die nächste Gelegenheit dazu hat es am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg.

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