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Der Wind schreit Mecki

Der Künstler Daniel von Bothmer legt mit „Da fährst du durch du Dunkelheit“ seine erste Werkschau in Buchform vor: ein sonderbares und unerwartet abgründiges Vergnügen

Von Jan-Paul Koopmann

Daniel von Bothmer hat sich stabil verschanzt gegen seine Kritiker:innen – selbst wenn sie es gut mit ihm meinen. 22 Seiten Manifest stehen seinem Werk voran: mit Pathos und Ironie, in einer Sprache, die zwar flapsig und roh klingt, in Sachen Entschiedenheit aber keine Zweifel lässt. Für „die neue Malerei“, womit er seine eigene meint, sei nämlich einzig und allein entscheidend, dass „das neue Bild geil ist“. Und ob das der Fall ist, machen Künstler und Kunst allein unter sich aus, „nicht der Betrachter, nicht der Experte, oder ein Galerist“, und der Vollständigkeit halber „auch nicht die Oma von der neuen Malerei und auch nicht Google, oder Facebook“.

Tja, und eigentlich hätte man es dann ja auch gleich wieder lassen können mit diesem Buch. Das Problem ist gar nicht unbedingt, dass die erklärte Überflüssigkeit des Publikums so wahnsinnig kränkend wäre, nur war die Welt doch bereits ohne Kunst schon so: mal geil und mal eben nicht. Was kommt es da auf ein bisschen mehr oder weniger an? Jedenfalls, wenn es denn sonst um nichts gehen soll. Aufhören zu lesen, lässt sich trotzdem nicht so ohne Weiteres, weil es in Wirklichkeit natürlich doch sehr viel tiefer geht, was von Bothmer so macht.

Ohne Corona hätte man sich davon inzwischen auch live überzeugen können: bei der Ausstellung zum 43. Bremer Förderpreis für bildende Kunst nämlich, für den Daniel von Both­mer nominiert ist. Stattdessen gibt es seine Werkschau nun für zu Hause, frisch erschienen als schniekes Buch unter dem herzlich-aggressiven Titel „Da fährst du durch du Dunkelheit“ (Golden-Press-Verlag).

Neben diesem großspurigen Manifest der „Neuen Malerei“ finden sich darin verschiedene Ausstellungen der vergangenen Jahre, etwa die Abschluss-Sause seines Stipendiats in der traditionsreichen Malerkolonie Willingshausen – daneben aber auch eher frei flottierende Einzelarbeiten im Detail, Zeichnungen, Kollagen und ein paar Comicseiten.

Meistens geht das so: Eine doppelseitige Ausstellungsansicht überfordert die Betrachterin mit Bergen blass-bunten Trashs und über die folgenden Seiten bestätigt der fotografische Rundgang durch die in­stallativen Aufbauten, dass alles noch viel schlimmer wird, wenn man erst genauer hinschaut. Wochenzeitung, Topfpflanze und eine sinnlos kreisende Modelleisenbahn verorten das Geschehen in einer scheintoten Bürgerlichkeit.

Fast alles hier hat verkrampft grinsende Gesichter, aus denen Pimmelnasen baumeln

Von Bothmers Plastiken hausen darin. Egal ob Styropor-Herzchen, gestapelte Kugelkörper oder Keramiken in Form der Bundesrepublik: Fast alles hier hat verkrampft grinsende Gesichter, aus denen Pimmelnasen baumeln. So sonderbar das im Einzelfall aussieht, so beklemmend wird’s in der Masse. Sie sind tatsächlich überall und sie haben irgendwas vor.

Dass der ins Gesicht modellierte Penis seine Ursprünge im beiläufigen Schulheftgekritzel hat, verraten auch von Bothmers im Buch dokumentierte Zeichnungen: ein wüstes Krickelkrakel aus Tieren mit Zickzack-Gebiss, Smileys und Hakenkreuzen. Dazwischen lassen sich Versuche in Sachen Perspektive entdecken, die schnell verworfen werden und als krakeliges Ornament sinnlos bleiben.

Oder eben auch nicht: Wie sonst in der Art brut scheint alles hier durchzogen von einem tieferen (und möglicherweise pathologischen) Symbolismus, auch wenn man am Entschlüsseln nur scheitern kann und sich stattdessen an den Kuriositäten berauscht, wie unbeholfenen Super-Mario-Studien, oder – ganz besonders hübsch – einem getöpferten Sonnenuntergang.

Willkürlich ist das freilich nicht, und auch längst nicht so selbstgenügsam, wie das Manifest behauptet. Tatsächlich scheint alles planmäßig darauf ausgerichtet, eine zwar morbide, dabei aber auffällig konsistente Atmosphäre zu stiften. Ein Hauch von Retro, jedoch ohne cool zu sein: Digitalkunst aus Zeiten, als man sie besser noch gelassen hätte, oder farblich verblassendes Spielzeug, das auch auf den abgerocktesten Flohmarkt keine:r mehr schleppen würde.

Zu sich findet dieses zunächst vage Gefühl im überbelichteten Foto eines pausbäckigen Mecki-Igels, den von Bothmer in einen obszönen filzigen Fummel gesteckt hat. „And the wind cries Mecki“ steht in Schreibschrift drüber und wer das liest, fängt langsam an, sich wirklich Sorgen zu machen über Daniel von Bothmer.

„Da fährst du durch du Dunkelheit“ ist ein anstrengendes und darum ein gutes Buch. Dabei ist verhältnismäßig egal, ob man sich nun am halbernsten Avantgardismus die Zähne ausbeißt oder sich mit wehenden Fahnen in den popkulturellen Verweisen zwischen „Super Mario Land“ und „Super Mario Land 2“ verläuft – es ist auf jeder Ebene komplizierter, als es scheint. Man wird sich fremd in diesem Werk und dieser Welt, die von Bothmer aus Schrott gebaut hat, an dem vielleicht irgendwann mal jemand Freude hatte, und der gerade darum so fies ist und untot.

Und damit ist es auch ein Gespräch über Kunst und ihre Ansprüche. Irgendwo mittendrin im Buch ist der Künstler selbst zu sehen, wie er neben dem Werbebanner einer seiner Ausstellungen am Zaun lehnt. Geschossen hat es ein Zeitungsreporter, um damit seinen Bericht im Lokalteil zu illustrieren.

Aus dem Gebrauchsfoto hat von Bothmer einen unmotivierten Ausschnitt gewählt und es anschließend weit in die Verpixelung hinein vergrößert. Auch hier also: alles noch schlimmer gemacht. „In einem völlig anderen Land“ steht auf dem abgebildeten Plakat. Und man wünscht sich plötzlich sehr, das wäre wahr.

Daniel von Bothmer: „Da fährst du durch du Dunkelheit“, Golden Press 2020, 280 S. Hardcover, 20 Euro

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