Frieden auf dem Schießplatz

Die Bundeswehr will auf ihrem Übungsplatz „WTD 91“ in Meppen nur noch schießen, wenn keine Waldbrandgefahr herrscht

Von Simone Schnase

Die Bundeswehr will ihre Waffentests auf der „Wehrtechnischen Dienststelle 91“ (WTD) im emsländischen Meppen ausweiten: Es seien, so heißt es auf der Homepage der Bundeswehr, seit dem 27. April „die Voraussetzungen geschaffen, um eine weitere Fläche für Erprobungen zu nutzen“. Vor dem Hintergrund des katastrophalen Moorbrandes auf dem Schießplatz im Jahr 2018 will sie allerdings nur noch dann schießen, wenn keine Waldbrandgefahr herrscht.

Kaum angekündigt, brachen in Niedersachsen mehrere Feuer in Mooren aus: So brannte es gleich viermal im Teufelsmoor bei Gnarrenburg im Landkreis Rotenburg – erschwert wurden die Löscharbeiten durch starken Wind. Tagelang löschten 250 Einsatzkräfte der Feuerwehr einen Brand auf 35 Hektar im Südlohner und Aschener Moor in den Landkreisen Vechta und Diepholz, und im emsländischen Naturschutzgebiet Aschendorf südlich von Papenburg brach ein Moorbrand auf rund 32 Hektar aus. Drei Tage lang loderte er, vorsorglich wurden angrenzende Häuser evakuiert. Nahezu zeitgleich brannten in der Nähe von ­Sögel – ebenfalls im Emsland – rund 300 Quadratmeter Wald.

Ungewöhnlich früh wurde dieses in diesem Jahr die Waldbrandgefahr in Niedersachsen als hoch eingestuft. Laut Landwirtschaftsministerium wurde etwa in Celle, Faßberg oder ­Lüchow bereits Mitte April die höchste Stufe fünf ausgerufen. Nie zuvor sind so früh so viele Warnmeldungen bei der Waldbrandzentrale in Lüneburg eingegangen. Ursache dafür sind vor allem die staubtrockenen vergangenen zwei Jahre.

Und in einem davon, nämlich im Jahr 2018, brannte bei Meppen auf dem Bundeswehrschießpatz das Moor im Naturschutzgebiet Tinner Dose/Sprakeler Heide – ausgelöst durch einen Kampfhubschrauber, der am 3. September mit 70-mm-Luft-Boden-Raketen herumballerte. Trockenheit hatte die Bundeswehr auch zuvor nie davon abgehalten, dort ihre Schießübungen durchzuziehen: „Wir verzeichnen im Jahr 80 bis 100 Feuer“, sagte der Direktor der WTD im Sommer 2010 – einem Jahr, in dem es dort wieder einmal großflächiger brannte. Diese Brände, sagte er, würden fast alle „erprobungsbedingt ausgelöst“.

Einen Brand wie 2018 hatte es dort allerdings noch nie gegeben: Das Moor brannte über zeitweise zwölf Quadratkilometer mehr als einen Monat lang. Der Rauch war bis Bremen zu sehen, bis Hamburg zu riechen und auf Satellitenaufnahmen aus dem Weltall erkennbar. Zeitweise herrschte in den angrenzenden Gemeinden Katastrophenalarm. Die Kohlen­monoxid-Konzentration in der Luft betrug mehr als das Doppelte des zulässigen Grenzwertes – wie hoch sie insgesamt waren, weiß niemand, weil erst zwei Wochen nach Ausbruch des Feuers überhaupt gemessen wurde. Das Feuer vernichtete Lebensraum von Schmetterlingen und Libellen, von Schlingnattern, Kreuzottern und seltenen Krötenarten – und es gelangten mindestens 500.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre.

Dieser Brand war einer zu viel – wegen seiner monströsen Dimension, aber auch wegen des katastrophalen Krisenmanagements der Bundeswehr: Erst zehn Tage nach Ausbruch des Feuers forderte sie auch zivile Hilfskräfte an, erst zwei Wochen danach begann sie, Schadstoffwerte zu messen – und noch einmal fast zwei Wochen ließ sie ins Land gehen, bis sie ihre Messergebnisse veröffentlichte. Sämtliche politische Gremien bis in hin zum Bundestag beschäftigten sich mit dem Moorbrand. Und: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung. Zur abschließenden Beurteilung einer etwaigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit fehle noch ein Expertenbericht, heißt es dazu bei der Staatsanwaltschaft ­Osnabrück. Dessen Vorlage habe sich wegen der Coronapandemie verzögert.

Unterdessen wurde der Brandschutz auf der WTD verbessert, unter anderem durch ein optimiertes Wegenetz, einen Löschwasserteich und zusätzliche Löschtechnik, weswegen der eingeschränkte Schießbetrieb nun erweitert werden soll. Allerdings: Künftig soll es dort nur noch Waffentests geben, wenn keine Waldbrandgefahr herrscht: „Ist es zu trocken, wird nicht geschossen“, so die Bundeswehr. Sollte sie dies tatsächlich einhalten, dürfte auf der WTD 91 vorläufig wohl kein einziger Schuss mehr fallen.