„Angst hat im Free-Skiing nichts zu suchen“

Women*Team (IV): Sportlerinnen bekommen weniger Aufmerksamkeit und Geld für ihre Leistungen als Männer. Hier kommen sie zu Wort. Kea Kühnel fährt Free-Ski – und das als Bremerhavenerin. Sie strebt für 2022 ihre zweite Teilnahme an Olympischen Winterspielen nach 2018 an und möchte auch sonst ganz oben mitfahren

Foto: dsv

Kea Kühnel

29, ist Freestyle-Skierin. Bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang erreichte sie den 18. Platz in der Disziplin Slopestyle.

Interview Pascal Patrick Pfaff

taz: Frau Kühnel, wann haben Sie zuletzt eine richtige Bruchlandung hingelegt?

Kea Kühnel: Ich glaube, dass jeden Tag etwas Kleineres dabei ist. Ein Sturz gehört einfach dazu – gerade wenn man auf dem Berg etwas Neues probiert.

Passiert es schnell, dass Sie bei einem Sprung die Kontrolle verlieren?

Wenn Wetter und Sicht schlecht sind, ist das Risiko natürlich höher, dass etwas passiert. Dies ist etwa bei Flatlight so, also wenn das Licht die gleiche Farbe hat wie der Schnee. Und wenn der Wind ein bisschen mehr von hinten kommt, dann nimmt man lieber einfach weniger Geschwindigkeit mit. So ist es zu kontrollieren.

Das Risiko ist nicht klein, sich bei solchen Sprüngen schwerer zu verletzen. Wie gehen Sie mit der Angst davor um?

„Angst“ ist das falsche Wort, denn sie hat in dieser Sportart nichts zu suchen. Ich würde eher von Respekt sprechen, den man hat, je größer die Schanzen, schwieriger die Tricks oder schlechter die Bedingungen sind. Man muss konzentriert sein, ruhig und motiviert bleiben. Da hilft es, den Trick im Kopf durchzugehen, ihn zu visualisieren. Sie sind Bremerhavenerin. Wie kommt man da zum Ski-Freestyle?

Ich stamme aus einer skibegeisterten Familie und stand schon mit zwei Jahren auf den Brettern. Außerdem habe ich geturnt. Irgendwann bin ich dann halsbrecherisch nach Innsbruck gezogen, um zu studieren und den Sport auszuüben. Da Free-Skiing aber nicht „risikoneutral“ ist, habe ich anfangs nicht so sehr die Unterstützung meiner Eltern gehabt. Ich denke aber, dass sich dies geändert hat, nachdem ich seit 2015 für das Nationalteam starte. 2016 bin ich dann den ersten Weltcup gefahren.

Was studieren Sie in Innsbruck.

Wirtschaftsprüfung. Und in München Sinologie. Ich bin jetzt aber auch seit einiger Zeit in Garmisch, weil ich nächste Woche meine vierwöchige Grundausbildung bei der Bundeswehr in Hannover antrete. Durch die Coronakrise ist es einfach besser, in Deutschland zu sein. Dort bin ich dann aber nicht mit normalen Berufsanwärtern zusammen, sondern trainiere in einer Sportfördergruppe. Wo trainieren Sie denn derzeit?

In Garmisch, weil es bis jetzt nicht möglich war, woanders zum Training zu gehen. Da gibt es strenge Richtlinien für Sportler. Seit zwei Wochen können wir aber wieder nach München zum Olympiastützpunkt fahren. Alles unter bestimmten Voraussetzungen: Training anmelden, Mundschutz tragen und so weiter. Ich gehe aber auch selbstständig laufen und mache zu Hause noch spezifische Trainingseinheiten zu Kraft, Ausdauer, Akrobatik und Beweglichkeit. Und mentales Training gehört auch zum Programm.

Ist Ski-Freestyle ein männerdominierter Sport?

Ja, auf jeden Fall. Man sieht mehr Männer im Snowpark als Frauen. Aber die Zahl der Sportlerinnen steigt an.

Wie schwierig ist es, an Sponsoren heranzukommen?

Es wird schwieriger – auch wegen Corona: Viele haben ihr Budget gekürzt. Mein Glück ist aber, dass ich in der Spitzensportförderung der Bundeswehr bin. Sie ist mein Arbeitgeber und stellt mich für den Trainings- und Wettkampfbetrieb frei. Bei den Sponsoren geht es für mich hauptsächlich um die Skier. Wenn die kaputt sind, dann muss mir der Sponsor neue schicken. Ich fahre deshalb im Weltcup immer mit mindestens zwei Paar.

Welche Ziele haben Sie denn für den kommenden Winter?

Ich weiß noch gar nicht, welche Weltcups stattfinden können. Trotz allem möchte ich aber ganz oben mitfahren.

Und Ihr Ziel für die Olympischen Spiele in Peking?

Es wäre ein Traum, bei Olympia 2022 vorne dabei zu sein. Mein Wille ist da und ich tue alles dafür. Dafür muss man aber die beste Form haben und auf sehr professionellem Level trainieren. Nur so kommt man an die Spitze und bleibt auch dort.

Können Sie von Ihrem Sport leben?

Dank der Bundeswehr kann ich das. Und für die Zeit nach der Sportkarriere baue ich mir durch mein Studium gerade etwas auf: Ich möchte Wirtschaftsprüferin werden. Das ist mein Traum.