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Frei und
ungeduscht

Campen ist beliebt und immer mehr Camper wollen abseits ausgewiesener Campingplätze frei Stehen. Aber wie geht das und was ist erlaubt?

Traumvorstellung vieler Camper: ein VW-Bus an einem Strand Foto: Unsplash/Nick Dunlap

Von Juliane Preiß

Der Blick aus der geöffneten Heckklappe, im Vordergrund dampft der Kaffee aus dem Retro-Emaille-Becher, im Hintergrund glitzert die Ost- wahlweise Nordsee in der Sonne oder es ragt ein Steg in den von grünem Schilf gesäumten See. Versehen mit dem Hashtag #vanlife kursieren haufenweise solcher Bilder in sozialen Netzwerken. Die Realität sieht aber meist anders aus.

Vanlife hieß früher Camping und immer mehr Leute wollen das. Ob im selbst ausgebauten Transporter oder voll ausgestatteten Wohnmobil, der Trend geht zum Freistehen. Weit weg von Campingplätzen und betonierten Stellplätzen, am besten in unberührter Natur, allein, autark. Freiheit schlägt Sanitäranlage. Dieser Freiheitsdrang scheint gerade jetzt größer zu werden. In Internetforen scharren viele Wohnmobilbesitzer mit den Füßen und können es kaum erwarten, endlich rauszukommen.

Auch Paul Nitzschke beobachtet das. Der 32-jährige hat die Facebookseite „Vanlife Germany“ gegründet, die mittlerweile über 20.000 Mitglieder hat. „Es sieht ganz danach aus, als ob es voll wird in diesem Jahr“, sagt er. Coronabedingt werden diesen Sommer wohl viele Camper ihr Glück in Deutschland suchen. Der Norden mit seinen Küsten und Seen steht ganz oben auf vielen Reisewunschlisten.

Keine Branche scheint Corona mehr zu trotzen. In Deutschland wurden laut des Caravaning-Industrie-Verbandes (CIVD) 2019 rund 81.000 Freizeitmobile neu zugelassen. Im ersten Quartal 2020 waren es schon über 15.000, 26,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Wenn die alle losziehen, wird es eng.

In Niedersachsen sind die Camping- und Stellplätze unter Auflagen seit dem 11. Mai geöffnet, Schleswig-Holstein will am 18. Mai nachziehen, Mecklenburg-Vorpommern am 25. Mai. Laut CIVD werden die Platzbetreiber mit Buchungsanfragen bereits regelrecht überrannt.

Aber was ist mit denen, die die ausgewiesenen Plätze meiden? Die Unsicherheit sei noch groß, sagt ­Nitzschke: „Die Leute in der Gruppe fragen immer wieder, was sie dürfen oder nicht.“ Auch ohne Corona sind die Antworten nicht immer eindeutig.

Das freie Stehen in Deutschland sei eine „dunkelgraue Grauzone“, sagt Nitzschke. Ziemlich unmissverständlich sind die Verbote. Schilder, Schranken, Höhenbeschränkungen. Wer diese ignoriert, spielt russisches Roulette mit den zuständigen Ordnungsämtern. Und trägt vermutlich nicht zu einer steigenden Akzeptanz alternativer Campingformen bei.

In Deutschland ist das einmalige Übernachten zur „Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit“ laut Straßenverkehrsordnung dort erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist. Wer aber Stühle rausstellt, die Markise ausfährt oder den Grill anschmeißt, der campt – und zahlt, je nach Bundesland bis zu 200 Euro. Richtig teuer ist illegales Campen im Naturschutzgebiet, das kostet im Norden je nach Bundesland bis zu 5.000 Euro.

Offensichtlich halten sich im Norden die Camper an die Regeln. Zumindest in Schleswig-Holstein falle „wildes Campen polizeilich nicht als besonderes Problem auf“, teilt Torge Stelck, Sprecher der Landespolizei, mit. Viele der erfahrenen Freisteher wissen, wie man nach einem guten Stellplatz sucht.

Auch Nitzschke sagt: „Es ist möglich, in Deutschland richtig schöne Plätze zu finden.“ Was er auch aus Erfahrung weiß: „Man muss genug Zeit für die Suche einplanen. Es hilft, offen auf die Leute zuzugehen und zu fragen, ob man für eine Nacht mal auf der Wiese stehen darf, man sollte nett zur Polizei sein und natürlich keinen Müll und Dreck hinterlassen.“ Und wenn es nötig ist, muss man halt noch einmal umparken. Dass es dann nicht immer ein Platz für einen Premium-Schnappschuss wird, damit muss der Vanlifer leben. Aber auch ein schnöder Waldparkplatz oder Industrieromantik an der Elbe haben ihre Reize.

Apps wie „Park4Night“ oder ­„iOverlander“ erleichtern die Suche nach dem kostenfreien Stellplatz. Mit der Einsamkeit ist es dann aber zumindest in touristischen Gegenden dahin. Wem ganz autark zu viel ist, kann sich den Stellplatzführer „Landvergnügen“ kaufen. Darin sind über 600 Bauernhöfe, Winzereien oder Brauereien in Deutschland ausgewiesen, wo man kostenlos oder für kleines Geld übernachten und sich im Hofladen versorgen kann.

Neueinsteigern rät Paul Nitzschke, das mit dem Vanlife erst mal auszuprobieren. Eine Matratze in einen Kombi schmeißen und los geht’s. Wer kein Auto hat, kann sich ein Wohnmobil leihen. Es gibt neben den gewerblichen auch private Wohnmobil-Vermietungen wie „PaulCamper“. Privatleute bieten dort ihre Gefährte an.