Handwerk trotzt Corona

Die Handwerkskammer begegnet der Krise mit viel Zweckoptimismus und der Forderung nach Investitionen und Senkungen von Mehrwert-, Gewerbe- und Grundsteuern

Wohl dem, der in der Krise von Mensch auf Hund umsattelte: Hundefriseure durften in Bremen ihrem Handwerk nachgehen Foto: Alessandra Tarantino/AP

Von Simone Schnase

Die Mehrheit der Bremer Unternehmen, genauer gesagt 72 Prozent, erwartet durch die Coronakrise erhebliche Umsatzeinbußen für 2020. Diese Daten hat die Handelskammer im Rahmen ihres Frühjahrs-Konjunkturreports erhoben. Wahrscheinlich sind sogar noch mehr Unternehmen besorgt, denn die meisten Einschätzungen stammen aus den Wochen vor der Verlängerung des Shutdowns am 20. April. „Die Corona-Pandemie bringt das Geschäftsklima im Land Bremen zum Absturz“, lautet der erste Satz des Reports. Dagegen mutete der am Freitag präsentierte Rück- und Ausblick der Handwerkskammer (HWK) fast fröhlich an.

„Viele Betriebe im Handwerk arbeiten nahezu unverändert weiter“, sagte HWK-Präses Thomas Kurzke. Wo es knapp sei, verzichteten Betriebsinhaber derzeit zwar auf eigenes Einkommen, aber über Entlassungen werde kaum gesprochen. Und es sei Land in Sicht – sagt zumindest HWK-Hauptgeschäftsführer Andreas Meyer: „Die Konjunktur im Handwerk wird wieder anziehen.“ Dennoch, und das räumten beide ein: So ganz genau wisse es dann doch niemand. „Auch nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 kam die Betroffenheit des Handwerks zeitversetzt“, sagte Meyer.

Nicht zeitversetzt, sondern unmittelbar betroffen sind allerdings Unternehmen, die keine Rücklagen haben. Die Kosmetikerin Silke Gohlke und der Friseur Stefan Hagens, die die HWK eingeladen hatte, um über ihre Situation zu berichten, gehören nicht dazu: „Ich habe glücklicherweise einen Ehemann, der Geld verdient, aber ich habe Anrufe von Kolleginnen bekommen, die weinten, weil sie nicht mehr weiter wussten“, sagte Gohlke. Ohne ihren Mann wäre es ihr wohl auch so gegangen, denn während ihr Antrag auf Soforthilfe schnell bewilligt worden sei, habe es mit dem Kurzarbeitergeld für ihre Angestellten acht Wochen gedauert: „Bis dahin musste ich ohne Einnahmen in Vorleistung gehen.“ Auch Hagens konnte die Wartezeit überbrücken: „Aber wie sieht das bei anderen aus?“

Bei beiden könnte die „zeitversetzte Betroffenheit“ aber noch greifen: Denn obwohl sie wieder öffnen dürfen, laufen ihre Betriebe wohl auf lange Sicht nur unter strengsten Hygieneauflagen und wegen des Abstandsgebots nur für eine beschränkte Anzahl von KundInnen. „Ich habe dadurch einen Umsatzeinbruch von rund 45 Euro pro Kundin“, so Gohlke. Um den Schaden gering zu halten, berechne sie jetzt einen „Hygiene-Aufschlag“ von je 15 Euro – es bleibe aber immer noch ein großes Defizit und die bange Frage, wie viele KundInnen angesichts der Coronarezession mittel- und langfristig noch das Geld für regelmäßige Kosmetikstudio- oder Friseurbesuche hätten. „Eine Halbierung der Mehrwertsteuer für Friseure und Kosmetiker könnte den Betrieben helfen“, sagte Meyer.

Künftige Probleme könnten auch gestundete Zahlungsverpflichtungen bereiten: „Ende Mai sind zum Beispiel Stundungen von Sozialabgaben fällig“, so Meyer. „Dann müssen auf einmal die Abgaben von drei Monaten gezahlt werden.“ Im Wissen darum seien von den Handwerksbetrieben auch nur in seltenen Fällen KfW-Kredite beantragt worden: „Denn die müssen ja auch zurückgezahlt werden.“

„In unserer Lehrstellenbörse werden genauso viele Auszubildende gesucht wie immer“

Andreas Meyer, Geschäftsführer der Handwerkskammer

Vor allem in der Baubranche und den damit zusammenhängenden Gewerken herrschte teilweise schon vor der Coronakrise ein Auftragsstau – der hat sich noch verschärft. „Aber wie werden sich hier die Investitionen sowohl aus der privaten wie auch aus der öffentlichen Hand entwickeln?“, fragte Meyer. Um Handwerksbetriebe nachhaltig zu unterstützen, regt die HWK auch hier Steuersenkungen an, genauer gesagt: eine zeitweise Reduzierung der Gewerbe- und Grundsteuer. Auch zielgerichtete Investitionen beispielsweise in grüne Technologien und in Digitalisierung könnten helfen, so Meyer.

Die Anzahl der Ausbildungsplätze hat sich laut HWK nicht geändert. Das ist erstaunlich, denn laut Arbeitsagenturen wird es im Land Bremen in diesem Jahr 15 Prozent weniger Ausbildungsplätze geben als im Vorjahr.

„In der HWK-Lehrstellenbörse werden genauso viele Auszubildende gesucht wie immer“, sagte indes Meyer. Dass derzeit rund 15 Prozent weniger Ausbildungsverträge unterschrieben worden seien als üblicherweise Ende April, liege an der stark gesunkenen Anzahl von Bewerbungen.