Ertrinkungsgefahr in Brandenburger Seen: Öffnet die Freibäder!

Die DLRG Berlin mahnt, die Freibäder im Sommer trotz Corona zu öffnen. Andernfalls könnten die Ertrinkungsunfälle in Seen drastisch steigen.

Schöner Spaß. Aber das Seepferdchen sollte man haben Foto: picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

BERLIN taz | Wien macht vor, wie es gehen könnte: Ende Mai will die österreichische Hauptstadt ihre Freibäder öffnen – trotz Corona. Allerdings ist das Freizeitangebot reduziert, und es gibt Regeln. Der Berliner Senat und die landeseigenen Bäderbetriebe indes haben bisher keine vergleichbaren Signale ausgesendet. Die Schwimmbegeisterten sind enttäuscht. Unterstützung bekommen sie nun von Seiten der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).

Zur Eindämmung des Coronavirus ist der Betrieb von Schwimmbädern laut Senatsverordnung seit dem 14. März untersagt. Im Gespräch mit der taz appellierte Michael Neiße, Vorstandsmitglied der DLRG Berlin, am Montag an den Senat, diese Vorschrift zu lockern: „Mit Auflagen, die Hygiene- und Abstandsregeln betreffen, müsste es doch möglich sein, die städtischen Freibäder im Sommer zu öffnen.“

Blieben die Bäder zu, sei zu erwarten, dass Menschen massenhaft und unkontrolliert an die Seen und Gewässer strömten, so Neiße. Dadurch erhöhe sich nicht nur das Infektionsrisiko, sondern auch die Unfallgefahr – insbesondere an unbeaufsichtigten Badestellen. „Die Menschen gefährden nicht nur sich selbst, sondern auch die Retter“, weiß Neiße. Denn: Wer einem Ertrinkenden zu Hilfe komme, sei schutzlos einer möglichen Ansteckung ausgeliefert. „Man muss ganz nah ran an die Person“.

Der DLRG Landesverband Brandenburg hatte sich schon Ostern mit der Aufforderung an Frühschwimmer und Stand-Up-Paddler gewandt, nicht ins Wasser zu gehen. Im vergangenen Jahr sind in Brandenburg laut DLRG 34 Menschen ertrunken – sechs mehr als 2018. In der Mehrzahl waren Männer betroffen, besonders die Altersgruppe der 51- bis 55-Jährigen. Alle Todesfälle ereigneten sich der DLRG zufolge in Seen, Teichen, Kanälen und Flüssen. In Schwimmbädern, wo Rettungsschwimmer sofort zur Stelle sein können, ist in Brandenburg im letzten Jahr niemand ertrunken.

Martin Pallgen, Sprecher von Innen- und Sportsenator Andreas Geisel (SPD), kommentierte die Aufforderung am Montag gegenüber der taz mit den Worten: „Wir verstehen den Appell der DLRG, können aber zum jetzigen Zeitpunkt keine seriöse Prognose abgeben.“ Die Frage, ob die Bäder öffnen können oder nicht, hänge vom weiteren Infektionsverlauf ab. „Wir sind mit den Bäderbetrieben im engen Kontakt, um alle Möglichkeiten auszuloten“, so Pallgen

Zur Ermutigung empfiehlt sich ein Blick in das Nachbarland Österreich. Wien bereitet die Öffnung der kommunalen Bäder für Ende Mai vor. Die Einzelheiten sind auf der Homepage der Stadt nachzulesen: Vorgesehen ist demnach eine maximale Anzahl an Badegästen und eine maximale Anzahl an gleichzeitig Badenden. Das Bäderpersonal werde auf den nötigen Abstand achten und die Gäste entsprechend informieren.

Michael Ludwig, Bürgermeister Wien

„Es gibt keinen Grund, die Sommersaison abzuschreiben – schließlich kann man sich durch das Wasser nicht anstecken.“

Die Einhaltung des Abstandes liege auch in der Eigenverantwortung der Gäste. Kinder unter 10 Jahren seien dieses Jahr nur in Begleitung Erwachsener erlaubt. Ob die Rutschen geöffnet werden können, werde noch geprüft, möglich sei aber, vor Ort Volleyball, Tennis oder Minigolf zu spielen. Im Verlaufe der Saison werde die Situation laufend evaluiert.

Und auch das hat Wien beschlossen: Die Eintrittspreise in den Sommerbädern werden gesenkt, weil eine uneingeschränkte Nutzung nicht garantiert werden kann. Kinder zahlen einen Euro, Jugendliche zwei und Erwachsene drei. „Mit diesen klaren, runden Beträgen soll ein zügiger Eintritt bei den Kassen ermöglicht werden“, schreibt die Stadtverwaltung auf ihrer Internetseite.

Kinder nur in Begleitung erlaubt

Auf die Abstandsregel an den Kassen werde ebenfalls genau geachtet. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Bäderstadtrat Jürgen Czernohorszk begründen die Entscheidung so: „Es gibt keinen Grund, die Sommersaison abzuschreiben – schließlich kann man sich durch das Wasser nicht anstecken und Bewegung an der frischen Luft und viel Sonne sind günstige Einflussfaktoren für das Immunsystem.“

Eine Thematisierung der aktuellen Corona-Lage? Ein Statement zur Öffnung der Freibäder? Die Presseerklärung, die die Berliner Bäder Betriebe (BBB) am Dienstag verschickt hatten, hatte mit diesen Themen rein gar nichts zu tun. Verkündet wurde vielmehr der Baubeginn einer lange geplanten Ersatzschwimmhalle in Kreuzberg. Bis zur Eröffnung ist es aber noch eine Weile hin: Im Frühjahr 2021 soll die Halle, die in Leichtbauweise auf dem Gelände des Sommerbades Prinzenbad entsteht, fertig sein.

Das Wellenbad Kreuzberg soll danach für eine Grundsanierung „für mindestens“ zweieinhalb Jahre geschlossen werden, teilten die BBB mit. Dass es länger dauern könnte, ist schon einkalkuliert. Der Ersatzbau sei für drei Jahre konzipiert, könne aber auch fünf Jahre stehen bleiben, sagt Bäder Sprecher Matthias Oloew zur taz. Kompensiert werden soll damit nicht nur das Spreewaldbad, auch andere Bäder fallen wegen Sanierung jahrelang aus.

Ausgestattet sein wird das mit Kosten von 3,6 Millionen Euro veranschlagte Interimsbad Kreuzberg mit fünf Bahnen zu jeweils 25 Metern. Ein Baum habe auf dem Grundstück des Prinzenbades vor Baubeginn gefällt werden müssen, erzählt Oloew. „Aber dafür haben wir vier neue gepflanzt.“ Der Betrieb des Prinzenbades werde unabhängig von dem Ersatzbad weiterlaufen. Letzteres werde hauptsächlich Schulen und Vereinen vorbehalten bleiben. Die Öffentlichkeit habe nur werktags von 6.30 Uhr bis 8 Uhr und am Wochenende von 10 Uhr bis 17 Uhr Zutritt.

Aber das ist alles Zukunftsmusik. Wie es aktuell mit Blick auf die Sommersaison weiter geht? Er wage da keine Prognose, sagt der Bädersprecher.

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