piwik no script img

Neue Chefin für das Museum

Hetty Berg ist die neue Direktorin des Jüdischen Museums. Es ist kein leichter Start

Ihren Start am Jüdischen Museum in Berlin hatte sich Hetty Berg anders vorgestellt. Seit ihrem Antritt vor einem Monat ist das Museum geschlossen, der erste Kontakt mit den Kollegen lief per Video, die Eröffnung der neuen Dauerausstellung wurde verschoben.

Der Umgang mit den Einschränkungen ist zurzeit nur ein Teil der Sorgen Bergs. Das Museum war zuletzt oft in den Schlagzeilen. Politische Interventionen, ein unklarer Tweet, eine öffentliche Debatte und der Rücktritt des Direktors Peter Schäfer stellten das Selbstverständnis des Hauses auf den Prüfstand. In der Zwischenzeit berief der Stiftungsrat den Historiker und früheren Berliner Kultursenator Christoph Stölzl als Vertrauensperson ein.

Berg, die 1961 in eine jüdische Familie in Den Haag geborene Kunsthistorikerin, soll als erfahrene Museumsmacherin nun das Museum in ruhigere Fahrwasser leiten. Die Aufregung der vergangenen Jahre könne sie nachvollziehen. Das Jüdische Museum Berlin gehöre immerhin zu den größten und wichtigsten jüdischen Museen in Europa. „Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte hat es eine enorme symbolische Bedeutung.“

Berg blickt auf eine langjährige Museumskarriere zurück. Im Jahr 2002 wurde sie für Amsterdams Jüdisches Kulturviertel verantwortlich, zu dem auch die Portugiesische Synagoge, das Nationaal Holocaust Museum, die Gedenkstätte Hollandsche Schouwburg und das JHM-Kindermuseum gehören.

Als 2001 das Berliner Museum im Zickzackbau des Architekten Daniel Libeskind eröffnete, wurde das Ereignis als deutsch-jüdischer Meilenstein gefeiert. Der frühere US-amerikanische Finanzminister und Holocaustüberlebende W. Michael Blumenthal stand als Gründungsdirektor persönlich ein für diese Verständigung. Dieser Konsens wurde mit den Jahren brüchig. Handfeste politische Konflikte folgten.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Museumsausstellung „Welcome to Jerusalem“ abzusetzen. Dort werde einseitig die palästinensische Sicht auf die Stadt dargestellt, Merkel sollte die Finanzierung des Museums einstellen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wies das Ansinnen als unzulässige Einmischung zurück.

Für den Zentralrat der Juden in Deutschland distanzierte sich das Museum bei seinen Einladungen zu Diskussionen mit Experten nicht genug von der anti-israelischen Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen). Auf die Frage, wie sie dazu stehe, betont Berg: „Ich habe bereits öffentlich gesagt, dass ich die BDS-Bewegung ablehne.“ Der BDS fordere nicht nur einen Boykott Israels, sondern rufe auch zum Boykott von israelischen Künstlern und Wissenschaftlern auf. „Für mich ist das nicht akzeptabel.“

Unabhängigkeit von Kulturinstitutionen ist für Berg ein hohes Gut. Anders als etwa Polen oder Ungarn, wo Regierungen einen starken Einfluss auf Kunst- und Wissenschaftsinstitutionen ausübten, sichere Deutschland den Museen Unabhängigkeit zu und sei damit ein europäisches Vorbild.

Das Museum und die dazu gehörende Akademie wolle sie als Debattenorte weiterführen – für „inhaltliche Diskussionen mit Tiefgang“, wie sie sagt. „Komplexe Themen dürfen nicht grob vereinfacht werden.“ In diesem Verständnis sieht sie auch die neue Dauerausstellung, die Mitte Mai eröffnet werden sollte. Ein „entscheidender Unterschied“ zur alten Ausstellung sei der größere Platz, den Nationalsozialismus und das jüdische Leben in der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart bekommen.

Doch Berg stellt klar: „Es geht hier um jüdisches Leben und jüdische Kultur – nicht allein um Tod und Vernichtung. Jüdisches Leben ist so viel mehr, und ich möchte, dass die Besucherinnen und Besucher das hier erleben.“ Dafür setzt die Ausstellung auf die stark angewachsene Sammlung. „Von insgesamt mehr als 1.000 Objekten stammen fast 70 Prozent aus unserem eigenen Bestand.“ Eine weitere Neuerung ist die Präsentation von zeitgenössischen Kunstwerken, unter anderem mit Arbeiten von Gilad Ratmann und Anselm Kiefer. Eine neues Zielpublikum verspricht sich das Museum mit der Erlebniswelt Anoha, einer nachgebauten Arche Noah für Kinder. Berg hat auch viele Ideen zu neuen Ausstellungen. Etwa zum Thema Judentum und Sexualität mit seinen ethischen Dimensionen und Aspekten bis hin zu Dating-Apps. (dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen