: „Die Arbeit ist komprimierter“
Mehr austeilen, weniger sortieren: Ein Postzusteller erzählt, wie sich sein Beruf verändert – und welche Auswirkungen Corona hat
Mirko Knorr
30, arbeitet seit zwölf Jahren als Briefzusteller in Friedrichshafen am Bodensee.
Interview Pia Stendera
taz am wochenende: Herr Knorr, wir erreichen Sie telefonisch. Es ist so laut bei Ihnen, sind Sie auf Arbeit?
Mirko Knorr: Ja. Wir sortieren gerade die Post für den Tag.
Das machen Sie noch selbst?
Es ist weniger geworden, weil die Maschinen uns Arbeit abnehmen, aber nicht alles. Größere Sendungen müssen wir weiterhin von Hand aufteilen.
Sie arbeiten seit zwölf Jahren als Postzusteller. Was hat sich in der Zeit noch verändert?
Ziemlich viel. Früher mussten wir auch die kleinen Briefe aufteilen. Heute kriegt man sie komplett „auf Gangfolge“, also für den kompletten Zustellablauf vorsortiert. Das spart eine halbe Stunde am Tag und ist auch viel einfacher für den Zusteller. Man nimmt einfach die Kisten mit den Briefen und muss nur noch Einzelheiten durchgucken.
Also ist der Job entspannter geworden?
Nee, trotzdem nicht. Die Arbeit ist komprimierter. Früher hat man um sechs angefangen, heute um sieben, dafür mit mehr Arbeit. Wir sortieren heute weniger und stellen mehr zu.
Mit welchem Fahrzeug sind Sie dann unterwegs?
Mit einem E-Bike. Vor zwölf Jahren gab es die nur für Kollegen ab 55, inzwischen hat es jeder. Es ist eine riesige Arbeitserleichterung. Ich fahre 14 Kilometer am Tag, voll beladen wiegt das Rad 120 Kilo. Der Elektroantrieb ist aber so gut, da merkt man das Gewicht kaum.
Wie viel Anerkennung bekommen Sie für Ihre Arbeit?
Derzeit bei Corona merkt man, dass die Menschen wieder mehr auf Post angewiesen sind. Man ist in Krisenzeiten trotzdem unterwegs, und dadurch hat sich das Verständnis vieler Leute zum Positiven entwickelt.
Haben Sie denn viel Kontakt zu den Kund:innen?
Wir sind keine Riesenstadt, wir haben 60.000 Einwohner und viel Land. Es ist regional. Inzwischen haben wir kaum noch feste Leute auf einem Bezirk, also kennen einen die Leute nicht mehr beim Namen. Aber sie grüßen natürlich, man ist nicht so unsichtbar wie in der Großstadt.
Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit?
Wir haben viel weniger Kontakt untereinander. Es gibt keine Teamtreffen mehr, Abstandsregelungen müssen eingehalten werden, und die Sortierung ist auf zwei Wellen aufgeteilt. Es gibt mehr Desinfektionsmittel und Handschuhe als am Anfang der Pandemie, und am vergangenen Wochenende kamen auch Mundschutzmasken. Die Post ist insgesamt weniger geworden …
Oh! Das überrascht.
… vor allem, weil die Werbesendungen extrem zurückgegangen sind. Die Unternehmen haben geschlossen oder kein Geld mehr dafür. Dafür gibt es mehr Pakete. Da sind wir von null auf hundert auf Weihnachtsniveau gekommen. Normalerweise bereiten wir das drei Monate lang vor. Nun hat es uns eiskalt erwischt.
Machen Sie sich Sorgen um Ihre eigene Sicherheit?
Natürlich muss man auf die Gesundheit aufpassen, aber das muss man ja immer. Sicher ist nicht alles positiv, aber ich sag halt so: Wenn ich zwölf Jahre im Unternehmen bin, dann hat das seinen Grund. Gerade jetzt in der Krisenzeit. Mein Bruder ist Friseur, da ist der Laden zu. Ich darf zum Arbeiten, und ich gehe gern zum Arbeiten.
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