Kommentar von Marco Carini über die Öffnung der Schulen: Zu früh zur Schule
Die Entscheidung steht bevor, doch die Debatte fehlt. Wenn die Schulen in den kommenden Wochen auch in Hamburg schrittweise geöffnet werden sollen, muss dem eine intensive Diskussion aller Beteiligten vorausgehen. Gerade weil die Elternschaft hier extrem gespalten ist. Die einen, die Homeoffice und Kinderbespaßung kaum noch miteinander verbinden können, sehnen den Tag herbei, an dem der Schulgong wieder schellt. Andere wiederum haben kein Verständnis dafür, dass an ihren Kindern wie an Versuchskaninchen ausprobiert wird, ob die Infektionszahlen in die Höhe schnellen, wenn das Kontaktverbot gelockert wird.
Nicht debattiert wurde bislang, wie man vorerkrankte Kinder, Eltern, Großeltern schützen kann, wenn sich die Schultore wieder öffnen. Und was passiert, wenn ein Kind erkrankt, das auf dem Schulhof jedeN andereN MitschülerIn angesteckt haben kann. Und es gibt auch keine wirkliche Diskussion darüber, ob der Kampf gegen den Virus mangels Impfstoff nur gewonnen werden kann, wenn sich viele Menschen infizieren und dadurch immunisieren. Und ob die Schulöffnungen ein Baustein dieser problematischen Strategie sind?
Schulöffnungen sind gesellschaftlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur durchsetzbar, wenn Eltern und SchülerInnen – denen seit Wochen verboten wird, Freunde zu treffen – bei der Kehrtwende mitgenommen werden. Dazu braucht es einen klaren Plan, nachvollziehbare Kriterien, braucht es hohe Transparenz und intensive Debatten. Nichts davon ist auch nur im Ansatz vorhanden. Die Elternkammer hat noch keine Meinung, die Schulbehörde keine Strategie, die LehrerInnengewerkschaften nimmt man kaum wahr.
Der gesellschaftliche Corona-Konsens könnte an der Frage der Schulöffnungen erstmals zusammenbrechen. Weil jeder Dialog und jede Antwort auf die drängendsten Fragen fehlt, kommt eine Öffnung der Schulen vor den Mai-Ferien nicht in Betracht. Der Diskurs darüber kann keinen einzigen Tag mehr warten.
Und dann sind es nur noch zwei, drei Wochen bis zu den Zeugniskonferenzen. Wer keine Abschlussprüfungen hat, könnte sich eine Rückkehr ins Restschuljahr gut sparen. Dann wäre bis Anfang August Zeit für eine Strategie, die ihren Namen verdient.
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