Neue Regeln nach Windhundprinzip

Die Soforthilfe des Senats war nach wenigen Tagen vergriffen. Jetzt gelten für Hilfen strengere Kriterien für die Selbstständigen

Möglicherweise soloselbstständige Cellospielerin an der Investitionsbank Berlin Foto: Karsten Thielker

Von Jonas Wahmkow

Morgens den Antrag ausgefüllt, nachmittags schon 5.000 Euro auf dem Konto: Die Verteilung der Corona-Soforthilfen, mit denen der Senat Ende März gezielt Soloselbstständige und Freiberufler unterstützen wollte, verlief unerwartet unbürokratisch und schnell. Entgegen den Beteuerungen der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) aber waren die Mittel schon nach fünf Tagen erschöpft. Das Nachfolgeprogramm des Bundes hat hingegen einen deutlich strengeren Kriterienkatalog, für den sich ein großer Teil von Berlins Kreativen und Freiberuflern nicht qualifiziert. Wer zu spät kam, dem bleibt jetzt Hartz IV.

Wie viele andere von der Coronakrise betroffene Freischaffende stand die Künstlerin Miriam Z. plötzlich vor der Frage, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten soll. Dementsprechend erfreut war sie über die Ankündigung des Senats Ende März, Freiberufler*innen und Soloselbstständigen mit dem Soforthilfe II genannten Förderpaket unter die Arme greifen zu wollen.

Bis zu 5.000 Euro gab es vom Land, das Geld durfte im Gegensatz zu der Bundesförderung auch für Lebensunterhaltskosten wie Wohnmiete, Krankenkasse und Essen verwendet werden.

Die Künstlerin versuchte zunächst gleich am ersten Tag die Förderung zu beantragen, beschloss aber durch die langen Wartezeiten und Serverabstürze, es einfach später zu versuchen: „Auf der Website wurde immer wieder kommuniziert, dass Geld für alle da ist.“ Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop twitterte noch am 28. März beschwichtigend: „Es sind genug Mittel da, es gilt NICHT das Windhundprinzip.“

Als Miriam Z. am ersten 1. April einen weiteren Versuch startete den Antrag zu stellen, blieb sie wieder mehrere Stunden in der Warteschlange. Als die Künstlerin kurz vor 12 Uhr fast an der Reihe war, wurden die Server abgeschaltet. Als am 6. April wieder Anträge auf der IBB-Website angenommen worden sind, fanden Selbstständige einen deutlich strengeren Kriterienkatalog vor: Ab jetzt dürfen die Mittel nur noch genutzt werden, um laufende Betriebskosten zu decken, wie etwa Gewerbemieten, Leasingaufwendungen und Personalkosten.

Soforthilfe II: Bis zu 5.000 Euro gab es vom Land, zusätzlich gab es bis zu 9.000 Euro Bundesmittel. Vom 27. März bis 1. April wurden 1,3 Milliarden Euro an Bundes- und Landesmitteln an 151.000 Antragstellende ausgeschüttet. Das Geld darf im Gegensatz zur Bundesförderung auch für Lebenshaltungskosten verwendet werden. Am 6. April wurden Landes- und Bundesprogramm zusammengeführt, jetzt gelten die Kriterien des Bundesprogramms: nur Betriebskosten werden übernommen. (für Brandenburg siehe Meldung links)

Vereinfachtes ALG II: Für Selbstständige wurde der Zugang zu Hartz IV vereinfacht. Vermögen bis zu 60.000 Euro müssen nicht mehr angezeigt werden.

„Bei den Kreativschaffenden in Berlin ist diese Regelung nicht wirklich hilfreich“, sagt Veronika Mirschel, Leiterin des Referats für Selbstständige bei der Gewerkschaft Ver.di. Lebenunterhalts- und Betriebskosten seien gerade bei Solo-Selbstständigen schwer auseinanderzuhalten.

Informationen darüber, wer antragsberechtigt ist, waren anfangs nur spärlich auf der Website der IBB vorhanden. Für den Antrag selbst reichten die Angabe der Steuernummer und die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung. Nicht wenige wurden durch die Unklarheit abgehalten, das Geld zu beantragen – andere griffen wiederum zu, obwohl sie nicht sicher waren, ob sie antragsberechtigt sind.

Auch dass manche in betrügerischer Absicht gehandelt haben, ist nicht auszuschließen, auch wenn es in Berlin bisher keine Anhaltspunkte für systematischen Betrug gibt. Zunächst ging es vor allem darum, Hilfen schnell verfügbar zu machen, erklärt Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen. „Es wird aber Kontrollen geben“, versichert sie. Diese sollen vor allem über die Finanzämter erfolgen – denn die Hilfen müssen wie alle anderen Einkünfte versteuert werden und tauchen in der Steuererklärung auf. Wer versehentlich zu viel bekommen habe, könne das Geld einfach zurücküberweisen, sagt IBB-Sprecher Christian Hartwich.

Aus einer nicht repräsentativen Umfrage des Berufverbands bildender Künstler (BBK) vom 7. April gaben rund 13 Prozent der 1.744 Teilnehmenden an, die Förderung nicht erhalten zu haben, weil sie technische Probleme hatten, in der Warteschleife feststeckten oder nicht ausreichend informiert waren. Lediglich 5 Prozent gaben an, dass eine Förderung, die die Betriebskosten deckt, ausreichend sei.

„Es wird aber Kontrollen geben“

Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen

„Es ist gut, dass es diese Mittel gibt, aber sie müssen auch für die Existenzsicherung freigegeben werden“, fordert daher Ute Weissleder, Sprecherin des BBK.

Wird es also eine Neuauflage der Soforthilfe II geben? Laut Henkel ist das eher unwahrscheinlich. „Es wird mit dem Bund gesprochen, aber derzeit gibt es wenig Spielraum.“ Der Großteil der Personen, die wirklich dringend auf diese Hilfe angewiesen waren, hätten diese auch schon bekommen, mutmaßt die Sprecherin. Der Rest wird auf das erweiterte Hartz IV verwiesen.

Miriam Z. sagt, sie verstehe, dass die Mittel begrenzt seien, ärgert sich aber über die unklare Kommunikation des Senats: „Man hat das Gefühl, dass Bonbons in die Menge geworfen worden sind und die Tüte jetzt einfach leer ist.“