: Wenige Tests und ein schlechtes Vorbild im höchsten Amt
Zwar haben die Fallzahlen in Brasilien noch keine italienischen Verhältnisse angenommen. Offiziell waren bis zum Mittwoch 1.552 Menschen an Covid-19 gestorben. Doch Forscher*innen des Imperial College in London warnten, im schlimmsten Fall könne es bis zu 1,1 Millionen Tote geben. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer bei Todesfällen durch Corona bereits jetzt viel höher ist, als die öffentlichen Statistiken zeigen. Recherchen der Tageszeitung Folha de São Paulo zeigen: Täglich werden allein in der Megametropole São Paulo – dem Epizentrum der Krise – bis zu 40 Menschen begraben, die unter Coronaverdacht standen, aber nicht getestet wurden.
Kaum ein Land testet so wenig auf das Coronavirus wie Brasilien. Das Gesundheitsministerium hatte 15 Millionen Coronatests versprochen. Angekommen sind davon bisher nur wenige. Viele Expert*innen rechnen mit einer Explosion der Fallzahlen in nächster Zeit. Offiziell waren zu Redaktionsschluss etwas mehr als 25.000 Menschen mit dem Virus infiziert.
Präsident Jair Bolsonaro hat die Gefahr durch Covid-19 geleugnet, herunterspielt und für politische Zwecke missbraucht. Er bezeichnete Corona als „kleine Grippe“, nannte Isolationsmaßnahmen „antipatriotisch“ und fordert hartnäckig eine Wiedereröffnung des Handels. Mehrmals ignorierte er selbst die verordnete Isolation und verkehrte mit Coronapatient*innen – zuletzt vor wenigen Tagen, als der Ex-Militär einer Bäckerei in der Hauptstadt Brasília einen Besuch abstattete und vor einem Krankenhaus in Goiás die Hände von Unterstützer*innen schüttelte.
Mit diesem Kurs isoliert sich Bolsonaro zunehmend selbst: Die meisten Gouverneure der 27 Bundesstaaten weigern sich, den Stillstand außer Kraft zu setzen, und ignorieren mittlerweile schlichtweg die Anweisungen des Präsidenten. João Doria, rechter Gouverneur des Bundesstaats São Paulo und ehemaliger politischer Verbündeter Bolsonaros, baut sich medienwirksam als Gegenspieler des Präsidenten auf und verlängerte die Coronamaßnahmen bis zum 22. April. Niklas Franzen
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