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Corona trifft weltweit die Ärmsten am härtesten

Oxfam warnt: Die Corona-Pandemie könnte rund 500 Millionen Menschen zusätzlich ins Elend stürzen. Der IWF sagt den ärmsten Ländern Hilfe zu. Doch das wird nicht reichen

Von Felix Lee

Klingt viel, ist es aber angesichts des Ausmaßes dieser Krise nicht. Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie für die ärmsten Länder zu mildern, hat der Internationale Währungsfonds (IWF) 25 besonders arg in Mitleidenschaft geratene Länder einen Teil ihrer Schulden erlassen. Zu den Ländern, die die Schuldendiensterleichterung erhalten, gehören Afghanistan, Haiti, Madagaskar, Ruanda und Jemen.

Schwerste Krise

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet wegen der weltweiten Corona-Pandemie die schwerste Wirtschaftskrise seit der Depression der 1930er Jahre. Die globale Wirtschaftsleistung werde dieses Jahr um 3 Prozent schrumpfen, prognostizierte der IWF zum Auftakt seiner Frühjahrstagung mit. Für die Eurozone sagte er einen Rückgang um 7,5 Prozent voraus. Die prognostizierte Krise ist wesentlich tiefer als die im Gefolge der Finanzkrise: 2009 war die Weltwirtschaft um 0,1 Prozent geschrumpft.

Für 2021 prognostiziert der IWF zwar eine Erholung um 5,8 Prozent, sieht diese jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Im Januar hatte der IWF für das laufende Jahr noch 3,3 Prozent Wachstum vorhergesagt. Der IWF wies darauf hin, dass seine Prognose eine Rechnung mit vielen Unbekannten ist. (ap)

Fest zugesagt hat der IWF zunächst Mittel in Höhe von 500 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Um die Folgen der Conora-Pandemie abzufedern, stellt Deutschland in einer ersten Runde rund 750 Milliarden Euro für die heimische Wirtschaft zur Verfügung. Die USA haben gar ein 2-Billionen-US-Dollar schweres Konjunkturpaket auf den Weg gebracht.

Die nun bereitgestellten Mittel gewährten „unseren ärmsten und schutzbedürftigsten Mitgliedern Zuschüsse zur Deckung ihrer IWF-Schuldenverpflichtungen“, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva zum Auftakt der jährlichen Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. Sie findet in diesem Jahr virtuell statt. Die Länder sollen in den nächsten sechs Monaten Teile ihrer knappen finanziellen Ressourcen für lebenswichtige medizinische und andere Nothilfemaßnahmen aufwenden können, teilte Georgieva mit. Entnommen werden die Mittel aus dem IWF-Katastrophenfonds CCRT, den es seit 2015 gibt und insbesondere den Ländern helfen sollte, die von Ebola betroffen waren. Zufrieden gibt sich die IWF-Chefin mit dieser Summe nicht. Sie drängt darauf, den verfügbaren Betrag auf mindestens 1,4 Milliarden Dollar zu erhöhen. Großbritannien hat 185 Millionen Dollar zugesagt, Japan 100 Millionen. Die Beiträge von China, den Niederlanden und anderen Staaten sind nicht näher beziffert. Deutschland taucht in der Liste der Geberländer bislang nicht auf.

Die Gesamtzahl der Armen könnte auf fast 4 Milliarden Menschen anwachsen

Offiziell gibt es in den betroffenen Ländern nur wenige bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2. Das liegt aber schlicht daran, dass in diesen Ländern kaum getestet wird, sie können sich die Test-Kits gar nicht leisten. Hinzu kommt, dass sich seit Beginn der Krise viele Investoren aus China, Europa und Nordamerika zurückgezogen haben, was die Kreditaufnahme erschwert. Dutzende Entwicklungs- und Schwellenländer haben wegen der Coronakrise beim IWF bereits Notkredite beantragt, darunter auch das ölreiche Nigeria. Weitere Länder stehen kurz davor. Die Entwicklungsorganisation Oxfam warnt, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie könnten fast eine halbe Milliarde Menschen zusätzlich in Armut stürzen. Sie beruft sich auf Analysen des Londoner King’s College und der Australian National University. Demnach würde ein Einkommensrückgang der Haushalte um 20 Prozent dazu führen, dass 434 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag rutschen. Die Gesamtzahl der Armen würde dann auf fast vier Milliarden Menschen anwachsen.

Angesichts dieser Zahlen fordert Oxfam ein „Rettungspaket für alle“ von 2,5 Billionen Dollar, finanziert aus Schuldenerlassen, IWF-Sonderhilfen und Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit. Auch die Bundesregierung sei gefordert, etwa bei der Einführung einer Finanztransaktionsteuer.

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