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Besondere Sensibilität gefordert

Im Umgang mit freien Mitarbeitern und Teilbeschäftigten in Zeiten von Corona bemüht sich die KZ-Gedenkstätte Neuengamme um einen sozialverträglichen Kurs

Die freien Mitarbeiter sollen vorerst genauso viel verdienen wie bisher

Von Petra Schellen

Außer in Corona-Zeiten ist dies kein Ort der Stille. Zwar ist die KZ-Gedenkstätte Neuengamme inmitten der idyllischen Vier- und Marschlande bei Hamburg gelegen, aber das Erwandern des 57 Hektar großen Geländes erzeugt jenes Gefühl der inneren Einsamkeit, das die Häftlinge einst empfunden haben müssen.

Schon damals herrschte auch vor dem Lager Leben; regelmäßig gingen die Bewohner des nahen Ortes Neuengamme sonntags am KZ spazieren, um die Häftlinge Fußball spielen zu sehen. Ein zynischer Zeitvertreib. Die junge Neuengammerin Gesa Anne Trojan hat 2014 ein Buch darüber geschrieben.

Die heutigen Besucher haben andere Motive, wollen sich informieren, nachspüren, verstehen. Viele von ihnen sind Schülergruppen – laut, fragend, suchend. Nein, ein Ort der Einsamkeit ist dies normalerweise wahrlich nicht. 2.000 Gruppen jährlich finden den Weg nach Neuengamme, Tendenz steigend. Das sei erfreulich, zumal die Nachdenklichen unter den jungen Besuchern zahlreicher geworden seien, sagt Detlef Garbe, Gründungsdirektor der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, zu der Neuengamme gehört.

Betreut werden die Gruppen von freiberuflichen Guides, denen aufgrund der Corona-Krise jetzt die Aufträge wegbrechen. Doch Garbe findet Auswege: „Wir werden sie mit der Entwicklung von Konzepten und Bildungsmodulen beauftragen und ihnen Aufgaben zuweisen, die in etwa so viel einbringen, wie sie bisher verdient haben.“

Dasselbe gilt für die freiberuflichen DozentInnen, die im Studienzentrum der Gedenkstätte Seminare für Täter- und Opfer-Nachfahren, für Schüler- und spezielle Berufsgruppen anbieten. Es bleibt nur das Aufsichtspersonal für die jetzt geschlossenen Ausstellungen – der Hauptausstellung, den einstigen SS-Garagen und den Walther-Werken, wo Kriegsmaterial hergestellt wurde. Die Aufsicht über diese Räume hat man nicht an externe Dienstleister delegiert wie viele Museen.

„Dieser Ort erfordert eine besondere Sensibilität“, sagt Garbe. „Deshalb haben wir knapp 20 Teilzeitbeschäftigte, die wir weiter bezahlen und mit der Aufarbeitung von Rückständen beauftragen.“ Das könnten Inventuren des Buchbestandes, Reinigungsaufgaben oder die Aktualisierung von Flyern sein. „Wir können ja jetzt nicht einfach sagen: Wir haben geschlossen, bleibt zu Hause“, findet Garbe.

Geplant sind diese Maßnahmen zunächst bis Ende Juni. Danach müsse man weitersehen, sagt er. Der Wegfall der Entgelte für Gruppen könne mittelfristig zu einem großen Problem werden.

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