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Sinkende Nachfrage

Vor gut einem Monat wurde das neue Coronavirus zum ersten Mal in Berlin nachgewiesen. Eine Bilanz

Von derzeit bis zu 140 Beratungen pro Tag finde etwa die Hälfte online statt

In Berlin sind bisher mindestens 48.771 Labortests auf das neue Coronavirus durchgeführt worden. Das teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage der dpa mit. Davon seien 2863 (5,9 Prozent) positiv ausgefallen. Unklar blieb jedoch, ab wann die Tests gezählt wurden: „Ab Beginn der genauen Erfassung“, hieß es nur.

Allein zwischen 23. und 29. März wurden laut der Behörde mehr als 19.700 Tests gemacht, davon seien 7,4 Prozent positiv gewesen. In der vergangenen Woche seien die Kapazitäten für das Land Berlin mehr als verdoppelt worden, auf 8.150 Tests pro Tag. Zehn Labore in Berlin werten den Angaben zufolge die Ergebnisse aus. Es würden daneben auch Tests in Labors anderer Bundesländer durchgeführt.

Rund einen Monat nach dem Start von Berlins erster Corona-Untersuchungsstelle an der Charité wird dort eine sinkende Nachfrage nach Beratungen und Tests beobachtet. „Wir sehen einen deutlichen Rückgang“, sagte der stellvertretende Ärztliche Direktor, Joachim Seybold. Davon würden auch die anderen Untersuchungsstellen in Berlin berichten. „Wir können den Bedarf decken.“ Insgesamt seien seit dem Start am 3. März rund 3700 Verdachtsfälle getestet worden.

In der Spitze seien an der Anlaufstelle auf dem Campus Virchow-Klinikum im Wedding bis zu 170 Beratungen mit Abstrichen pro Tag gemacht worden, teils mit Betriebszeiten von 8 bis 22 Uhr. Derzeit seien es noch etwa 70 bis 90 Tests täglich. „Anfangs war die Aufregung in der Bevölkerung groß, viele kamen mit Schnupfen“, sagte Seybold. Von allen Getesteten hatte sich demnach weniger als jeder Zehnte tatsächlich mit Sars-CoV-2 infiziert: „8,4 Prozent der Tests fielen positiv aus“, so Seybold.

Bei den Gründen für den Rückgang habe man Vermutungen, sagte der Mediziner. Nachdem zeitweise in großer Zahl Skifahrer für Tests gekommen seien, gebe es nun weniger Reiserückkehrer. „Außerdem haben durch die Maßnahmen insgesamt die Kontaktmöglichkeiten in der Gesellschaft abgenommen.“ Aber auch andere Faktoren, wie inzwischen eingeführte technische Lösungen zum Vorsortieren der Patienten, spielten womöglich eine Rolle.

So können Menschen, die eine Infektion befürchten, seit Mitte März via App einen Fragebogen ausfüllen und so eine Empfehlung bekommen, ob ein Arztbesuch oder Test sinnvoll ist. „Das kann manchen Menschen die Sorge nehmen“, sagte Seybold. Hinzu kommt eine Videosprechstunde, damit nicht jeder Patient erscheinen muss. Von den derzeit bis zu 140 Beratungen pro Tag finde etwa die Hälfte online statt, sagte Seybold. Bei ungefähr 20 bis 30 Prozent der Patienten in der Videosprechstunde erweise sich der Verdacht als begründet, sodass sie dann noch für einen Abstrich vorbeikommen.

Die Untersuchungsstelle der Charité war als erste in Berlin am 3. März eröffnet worden – am Tag nach dem Bekanntwerden der ersten bestätigten Infektion. Weil der junge Mann zunächst mit dem Verdacht auf eine andere Erkrankung eingeliefert worden war, blieb die Notaufnahme nach dem positiven Testergebnis zeitweise geschlossen.

Um Verdachtsfälle aus den Rettungsstellen herauszuhalten, richtete die Charité ein freistehendes historisches Gebäude auf dem Gelände als Anlaufstelle her. In einem Bereich begegnen sich Mitarbeiter und Patienten nur durch eine Glasscheibe, sodass etwa beim Abfragen der Symptome keine komplette Schutzausrüstung getragen werden muss.

Inzwischen listet die Senatsverwaltung für Gesundheit in Berlin acht Untersuchungsstellen an Kliniken auf. Auch manche niedergelassenen Ärzte nehmen Tests vor. Seit gut einer Woche hat das Robert- Koch-Institut die Kriterien für Tests geändert, so ist zum Beispiel der Aufenthalt in einem Risikogebiet keine Voraussetzung mehr.

Charité-Virologe Christian Drosten hatte kürzlich im Podcast im NDR davon gesprochen, dass die Zahl der herkömmlichen Tests in Deutschland – er sprach von mehr als einer halben Million pro Woche – wohl nicht weiter gesteigert werden könne. (dpa)

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