Die „Deutschland-GmbH“ schlägt zurück

Seehofer verbietet erstmals einen Reichsbürgerverein. Die Gruppe fiel durch bizarre Drohschreiben auf – und durch Solidarität mit dem Holocaustleugner Horst Mahler

Hier fand am Donnerstag eine Razzia statt, Schild am Haus eines „Reichsbürgers“ in Berlin Foto: Paul Zinken/dpa

Von Konrad Litschko

Die Sprache war blumig. Man wolle „an die Werte alter Strukturen erinnern und diese wieder aufbauen“, verkündete die Reichsbürgertruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ (GdVuSt). „Frei, gesund und voller Freude“ wolle man leben. Das Ziel: ein „Naturstaat“.

Ganz so harmlos aber war die Gruppe nicht. Am Donnerstag nun wurde sie vom Bundesinnenministerium verboten. 400 Polizisten durchsuchten in zehn Bundesländern die Wohnungen von 21 Führungspersonen und übermittelten diesen den Verbotsantrag. Es ist das erste Verbot in der Reichsbürgerszene. Mitverboten wurde die Teilgruppe „Osnabrücker Landmark“.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wirft der insgesamt rund 120 Mitglieder zählenden Gruppe vor, „rassistische und antisemitische Schriften zu verbreiten und damit unsere freiheitliche Gesellschaft systematisch zu vergiften“. Auch habe diese gegen Amtsträger und ihre Familien „verbale Militanz und massive Drohungen“ ausgeübt.

„Wir setzen den Kampf gegen Rechtsextremismus auch in Krisenzeiten unerbittlich fort“, erklärte Seehofer. „Für Rassismus und Antisemitismus haben wir in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz.“

Die Gruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ hatte sich 2017 zusammengetan. In einem Gründungsschreiben wurde gegen eine „moderne Arroganz“ gewettert, welche die Natur zerstöre. Ein „Seehandelssystem“ beherrsche die Welt, gelenkt „von einer handvoll geübter breithüftiger Kaufleute“ und unterstützt von der „kasharischen Mafia“ – eine antisemitische Verschwörungstheorie.

Auch die Bundesrepublik sei nur ein illegitimes „Handelskonstrukt“, eine bloße GmbH, unterjocht von „Besatzungsmächten“. Das Grundgesetz sei eine „Besatzungsordnung“. Die Gruppe stellte dagegen ihr fabuliertes „Höchstes Gericht der geeinten deutschen Völker und Stämme“, das über den hiesigen Gerichte stehe und über angebliche Bodenrechte verschiedene Gebiete für sich reklamierte.

Als Anführerin gilt Heike W. aus Berlin, die selbsternannte „Generalbevollmächtigte“. Zuvor war sie schon in der Region um die niedersächsische Stadt Melle aktiv, wo der Verein „Landmark e.V.“ angesiedelt war. In Videos warb Heike W. dafür, „dass die Volksseele wieder aufsteht“. Sie wolle „die Rechte zurückholen für die Menschen“ oder berief sich auf „germanische Erstbesiedlungsrechte“. Dazu schickte sie Schreiben an Behörden, in denen sie diese für illegitim erklärte. Am Donnerstag wurde nun auch Heike W.s Wohnung durchsucht.

Vor allem durch ihre kruden Drohschreiben fiel die Gruppe zuletzt auf. Den adressierten Behörden drohte sie eine „Inhaftierung“ an, hohe „Strafgebühren“ oder „Sippenhaft“. In einigen Briefen wurde die Übertragung von Immobilien an die Gruppe gefordert, in Berlin-Zehlendorf sollte das Rathaus an sie übergeben werden. Zudem solidarisierte sich die Gruppe mit dem inhaftierten Holocaustleugner Horst Mahler und forderte dessen Freilassung.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt 2017 ein Schreiben der Truppe, in dem sie aufgefordert wurde, die Bundestagswahl abzuschaffen und das „Unternehmen Bundesrepublik“ zu „schließen“. Stattdessen halte nun die „GdVuST“ die „oberste Gerichtsbarkeit“.

Auch die Bundesrepublik sei nur ein illegitimes „Handelskonstrukt“, eine bloße GmbH

Das Bundesinnenministerium wirft der Gruppe „schwerwiegende Verletzungen der Grundrechte und insbesondere der Menschenwürde anderer“ vor. Sie bringe durch „Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre Intoleranz gegenüber der Demokratie zum Ausdruck“ und diskreditiere die Bundesrepublik als „niedrigste Staatsform“. Auch schreckten die Mitglieder nicht vor Straftaten zurück. Mehrere Landesinnenminister begrüßten das Verbot.

Schon im September 2019 gab es eine Razzia gegen die Gruppe in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Gruppe. Bei den jetzigen Durchsuchungen wurden Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie einige Betäubungsmittel sichergestellt.

Die Sicherheitsbehörden hatten die Reichsbürger-Szene lange kaum auf dem Schirm. Erst als 2016 ein Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd einen Polizisten erschoss, änderte sich der Kurs. Seitdem beobachtet der Verfassungsschutz die Szene strukturierter. Reichsbürger sollen außerdem entwaffnet werden. Zuletzt besaßen indes immer noch gut 530 von ihnen offizielle Waffenbesitzerlaubnisse. Bundesweit rechnen die Sicherheitsbehörden den Reichsbürgern 19.000 Personen zu, 950 davon gelten als klar rechtsextrem.

Erst im Januar hatte das Bundesinnenministerium die rechtsextreme Gruppe „Combat 18“ verboten – als Reaktion auf die Terroranschläge in Halle und auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Seehofer hatte nach Combat 18 weitere Verbote angekündigt. Das ist nun erfolgt.

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