Grenzschließungen wegen Corona: Niemand hört auf die EU-Kommission
Die nationalen Abschottungsmaßnahmen in der EU gehen weiter. Vor allem an der deutsch-polnischen Grenze führt das zu Chaos und langen Staus.
„Wir hoffen, dass die EU-Staaten unsere Leitlinien so schnell wie möglich umsetzen und eine reibungslose Versorgung der Bevölkerung sichern“, sagte der Sprecher der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Die Kommission sei im ständigen Kontakt mit den nationalen Behörden: „Wir hämmern ihnen täglich ein, dass sie zusammenarbeiten müssen.“
Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, an geschlossenen Grenzen einen Sonderstreifen für Hilfstransporte und Lastkraftwagen offen zu halten. Außerdem fordert sie freie Durchreise für alle EU-Bürger, die in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Doch bisher werden diese Empfehlungen offenbar nur unvollständig oder gar nicht umgesetzt.
Vor allem in Polen ist die Lage angespannt. An mehreren deutsch-polnischen Grenzübergängen gab es in den letzten Tagen kilometerlange Staus und Wartezeiten von bis zu 18 Stunden. Um eine Verbreitung des Coronavirus zu erschweren, hatte Polen am Wochenende an den Grenzen zu Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Litauen wieder Kontrollen eingeführt. Polen können in ihre Heimat zurückkehren, müssen aber für 14 Tage in Quarantäne.
Lage angespannt, aber stabil
Angespannt ist die Lage auch an der deutsch-französischen Grenze. Sie war am Sonntag überraschend von Deutschland geschlossen worden. Das Elsass gilt als Corona-Krisengebiet; die Grenzkontrollen erschweren nun Hilfslieferungen. Keine Probleme gibt es dagegen bisher an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden. Sie sind offen – und sichern den Zugang zu Seehäfen wie Antwerpen und Rotterdam. Bei einer Schließung dieser Grenzen könnte die Versorgung in Westdeutschland zum Problem werden.
Die Lage sei angespannt, aber stabil, heißt es beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). „Wir haben keine Fälle, in denen die Logistik einen Aussetzer hat, um Industrie, Handel und Bevölkerung zu versorgen“, sagte DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Allerdings mache sich die Schließung mehrerer Grenzen für den Personenverkehr zunehmend beim Gütertransport bemerkbar.
„Die Grenzen sind für den Warenverkehr noch offen, aber die Individualkontrollen sorgen zum Teil für einen gigantischen Rückstau“, sagte Huster. Außerdem warnte er vor einer Verschlechterung der Lage. „Wir erwarten für die Häfen in den nächsten Tagen und Wochen einen Rückgang von 75 Prozent des Containervolumens“, sagte Huster. „Die Schiffe, die hätten kommen sollen, wären jetzt noch unterwegs. Den Einbruch werden wir erst noch merken.“
Der Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, forderte die EU-Staaten zur Rücknahme von Grenzkontrollen auf. „Der Entscheidung, die Außengrenzen zu schließen, sollte folgen, dass die Mitgliedstaaten von einem weiteren Aussetzen des Schengener Abkommens absehen und nicht weiter im Alleingang an nationalen Grenzen Kontrollen einführen.“ Bislang haben zwölf EU-Staaten Grenzkontrollen bei der EU-Kommission in Brüssel gemeldet. Noch kein einziges Land hat seine Grenze danach wieder aufgemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient