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Grüne abgewehrt

Einige Überraschungen bei den bayerischen Kommunalwahlen am Sonntag

Aus München Dominik Baur

Nein, es war keine normale Wahl, die am Sonntag in Bayern stattfand. In den Wahllokalen lagen Gummihandschuhe und Desinfektionsmittel bereit. In München wurden Lehrer als Wahlhelfer zwangsverpflichtet, nachdem rund ein Viertel der Freiwilligen aus Angst vor dem Coronavirus abgesprungen war. Abends dann: Keine Wahlpartys, stattdessen einsame Statements der Spitzenkandidaten, oft auch im Freien.

Dennoch: Die Bayern trotzten der Coronakrise, steigerten sogar die Wahlbeteiligung gegenüber den letzten Kommunalwahlen 2014 noch um etwa 4 Prozentpunkte auf geschätzte 58,5 Prozent. Überall im Freistaat wurden Gemeinderäte, Stadträte, Kreistage, dazu fast alle Oberbürgermeister und Erste Bürgermeister gewählt. Alles in allem rund 4.000 Wahlen. Zu vergeben waren 40.000 Mandate.

Wegen des komplizierten Wahlsystems – in Bayern dürfen die Wähler kumulieren, panaschieren und Kandidaten streichen – lagen zunächst nur die Ergebnisse der Bürgermeister- und Landratswahlen vor. Und die versprechen in erster Linie viele spannende Duelle in zwei Wochen – unter anderem in den drei größten Metropolen München, Nürnberg und Augsburg.

In Augsburg tritt die CSU-Kandidatin Eva Weber als klare Favoritin gegen Dirk Wurm von der SPD an, während sich die Nürnberger zwischen dem CSU-Mann Marcus König und dem SPD-Mann Thorsten Brehm entscheiden müssen, die im ersten Wahlgang mit 36,5 und 34,9 Prozent der Stimmen nahezu gleichauf lagen. In München verfehlte SPD-Amtsinhaber Dieter Reiter mit 47,9 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Die Überraschung des Abends war jedoch, dass er es in der Stichwahl nicht, wie es lange aussah und die Umfragen prognostiziert hatten, mit der Grünen Katrin Habenschaden, sondern mit der CSU-Kandidatin Kristina Frank zu tun bekommt. Diese kam am Ende auf 21,4, Habenschaden auf 20,6 Prozent. Immerhin: Im Stadtrat dürften die Grünen mit knapp 29 Prozent ersten Auszählungen zufolge stärkste Kraft werden, während die SPD auf Platz drei landet. Auch in anderen Kommunen zeichnete sich ab, dass die Grünen zu den größten Gewinnern gehörten – zumindest im Direktvergleich zu den Wahlen 2014.

Corona in Bayern

Bayern hat den Katastrophenfall ausgerufen, um im Kampf gegen das Coronavirus schneller handeln zu können. Ab Mittwoch müssen alle Freizeiteinrichtungen und Geschäfte, die nicht dem dringendsten Alltagsbedarf dienen, geschlossen bleiben, die übrigen Läden dürfen auch abends und sonntagnachmittags öffnen. Gaststätten dürfen nur noch bis 15 Uhr und für maximal 30 Gäste öffnen, Veranstaltungen sind bis 19. April verboten. Für die Versorgung von Patienten will man auf Ärzte außer Dienst und Medizinstudenten zurückgreifen. Für die Wirtschaft gibt es ein Hilfspaket von 10 Milliarden Euro.

Habenschaden war aber nicht die einzige Grüne, die sich mehr erhofft hätte. Zu gut waren die Umfrageergebnisse in der letzten Zeit, zu steil der Höhenflug. Da half es nichts mehr, dass die Zahlen im Vergleich zu 2014 deutlich besser waren – die Enttäuschung konnte die Partei nur schwer kaschieren. Beispiel Würzburg: In der Universitätsstadt holte der grüne Kandidat Martin Heilig satte 32,2 Prozent der Stimmen. Gebracht hat es ihm nichts, da Amtsinhaber Christian Schuchardt mit 52 Prozent die Wahl schon beim ersten Urnengang für sich entschied. Hessen-Import Schuchardt ist Bayerns einziger OB mit CDU-Parteibuch. Er war für CSU, FDP und einer örtlichen Wählergemeinschaft angetreten. Auch in Augsburg trennten die Grüne Martina Wild nur 0,3 Prozentpunkte von SPD-Mann Wurm und somit von der Stichwahl. Und im Landkreis Miesbach musste sich der grüne Amtsinhaber Wolfgang Rzehak im ersten Wahlgang mit 27,4 Prozent begnügen. Sein Herausforderer Olaf von Löwis kam auf 36,8 Prozent und geht nun als Favorit in die Stichwahl.

Die CSU wiederum, die die Grünen wiederholt als Hauptgegner ausgerufen hatte und die Erwartungen für diese Wahlen bewusst runtergeschraubt hatte, sah die Entwicklung mit Genugtuung. „Wir liegen gut im Rennen“, sagte Generalsekretär Markus Blume im Bayerischen Rundfunk. Immerhin konnten sich die Amtsinhaber der CSU zumeist behaupten, und in viele Stichwahlen gehen die CSU-Kandidatinnen und -Kandidaten als Favoriten. Stichwahlen um das Oberbürgermeisteramt wird es auch in Landshut (FDP gegen Grüne), Ingolstadt (CSU gegen SPD), Bamberg (SPD gegen Grüne), Rosenheim (CSU gegen Grüne), Erlangen (SPD gegen CSU) und Bayreuth (CSU gegen Freie Wähler) geben. In Regensburg, wo SPD-OB Joachim Wolbergs wegen Korruptionsvorwürfen vom Amt suspendiert worden war, kommt es zu einer Stichwahl zwischen Astrid Freudenstein von der CSU (29,5 Prozent) und der SPD-Frau Gertrud Maltz-Schwarzfischer (22,2 Prozent). Wolbergs selbst war auch wieder angetreten, kam aber nur auf 17,7 Prozent.

Auf Gummihandschuhe und Desinfektionsmittel können die Wähler bei der Stichwahl am 29. März jedoch verzichten. Die Wahl findet von vornherein nur noch als Briefwahl statt.

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