piwik no script img

Innerdeutsche Grenzkontrollen

In sein Brandenburger Wochenend-haus darf der Berliner noch. Meck-lenburg-Vorpommern macht dicht

Damit hatte Matthias Dittmer nicht gerechnet. Freitagmittag vergangene Woche bekam er einen Anruf vom Leiter des Ordnungsamtes in Wittstock. „Der hat mich gefragt, wie es sein könne, dass ich noch Gäste habe“, sagt Dittmer, grünes Mitglied in der Wittstocker Stadtverordnetenversammlung und Inhaber des Ferienlandhauses in Zempow, einem Ortsteil von Wittstock an der Dosse. Die Gäste waren ein Ärzteehepaar der Charité, das sich mit seinen Kindern eine Auszeit gönnte. „Als systemrelevante Personen haben sie sogar einen Ausweis“, schrieb Dittmer auf Facebook, „mit dem sie mögliche Polizeisperren passieren können. Kein Coranaverdacht, alle Vorsichtsmaßnahmen streng beachtend, aber mit dem Autokennzeichen outen sie sich als Berliner.“

Um Viertel vor zwei kam die Polizei

„Um 13.45 Uhr kam dann eine Polizeistreife in Zempow vorbei“, erinnert sich Dittmer. Bereits zuvor hatte ihm das Ordnungsamt eine Strafe in fünfstelliger Höhe angedroht, wenn er sein Ferienhaus weiter vermiete. „Dabei ist das eine eigenständige Ferienwohnung, ich mache denen kein Frühstück, die sind komplett autark.“ Doch aller Protest half nichts. Das Ehepaar musste nach Berlin zurück. „Epidemiologisch bringt das gar nichts“, ärgert sich Dittmer. „Im Gegenteil: Damit wird nur noch der Druck auf Berlin erhöht.“

Am 17. März, einige Tage, bevor die Ärzte Dittmers Ferienwohnung verlassen mussten, hatte die Landesregierung in Brandenburg eine „Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus“ beschlossen. Darin hieß es in „§ 6 Gaststätten und vergleichbare Einrichtungen“ unter anderem: „Übernachtungsangebote im Inland dürfen nur zu notwendigen Zwecken und nicht zu touristischen Zwecken genutzt werden.“

In einer aktualisierten Version, die die Landesregierung nach den Bund-Länder-Beratungen am Sonntag veröffentlichte, wurde der Paragraf erweitert. Nun heißt es: „Betreibern von Beherbergungsstätten, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen sowie privaten und gewerblichen Vermietern von Ferienwohnungen und -häusern und vergleichbaren Angeboten ist es untersagt, Personen zu touristischen Zwecken wie Freizeitreisen zu beherbergen. Diese Regelung gilt auch für Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits beherbergt werden.“

Allerdings stellte Rot-Schwarz-Grün am Montag klar, dass diese Regelungen nicht für Berlinerinnen und Berliner gelten, die in Brandenburg ein eigenes Ferienhaus bewohnten. Berliner, die in Brandenburg ein Wochenendhaus besitzen oder pachten, dürften es weiterhin aufsuchen. Auch sei eine Reisebeschränkung nicht vorgesehen, da es in Brandenburg keine Ausgangssperre gebe. Am Dienstag informierte der RBB noch über eine weitere Einschränkung: „Das Verlassen und Wiederbetreten des Stadtgebiets von Berlin muss auf direktem Wege zu der Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft erfolgen.“

Härte in Mecklenburg-Vorpommern

Eine schärfere Gangart hat Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagen. Dort mussten Besitzer von Wochenendhäusern das Bundesland verlassen. Hintergrund ist eine Verordnung, die Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bereits am Donnerstag publik gemacht hat. Dort heißt es: „Touristische Reisen aus privatem Anlass in das Gebiet des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind untersagt. Dies gilt insbesondere für Reisen, die zu Freizeit- und Urlaubszwecken und zu Fortbildungszwecken unternommen werden.“ Ausnahmen seien lediglich Personen, die in Mecklenburg-Vorpommern einen Zweitwohnsitz haben und diesen auch beruflich nutzen. Soll heißen: Selbst wer in seinem eigenen Wochenendhaus ausspannen will, bleibt draußen. Am Wochenende kontrollierte die Polizei an zahlreichen Verbindungsstraßen zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Bisher ist aus Senatskreisen zu hören, dass es solche rigiden Einreisestopps zwischen Berlin und Brandenburg nicht geben werde. Da sei man sich auch mit der Landesregierung in Potsdam einig. Tatsächlich sind die beiden Länder immer mehr miteinander verflochten. Alleine 2018 pendelten 215.600 Pendlerinnen und Pendler aus Brandenburg nach Berlin, wie die Agentur für Arbeit ermittelte. Das war ein Plus von 13,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2013. 88.600 Berlinerinnen und Berliner wiederum arbeiten in Brandenburg. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen