Toter Luchs im Bayerischen Wald: Gewildert, aber nicht verurteilt

Ein Jäger soll im Bayerischen Wald einen Luchs getötet haben. Nun wurde das Verfahren eingestellt. Der WWF ist enttäuscht.

ein Luchs im Wald

Schicke Ohren: Luchs Foto: Holger Hollemann/dpa

REGENSBURG taz | Die Stimmung im Gerichtssaal des Landgerichts Regensburg war angespannt, als der Richter das Urteil in Sachen illegale Luchstötung verkündete. Bis zu diesem dritten Verhandlungstag war das Ergebnis des Berufungsprozesses völlig offen gewesen. Am Ende kippte der Richter am Freitagnachmittag das Urteil in erster Instanz aus Mangel an Beweisen – und stellte das Verfahren ein.

Damit habe der Angeklagte jedoch „keinen Freispruch“ bekommen, wie Richter Johann Piendl betonte. Zudem sei das Verfahren eine Warnung an alle, die „meinen, ihre Eigeninteressen auf kriminelle Weise über das Gemeinwohl stellen zu dürfen.“

Der WWF zeigte sich von diesem Ausgang enttäuscht. „Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die den Wilderern in Deutschland die Stirn bieten“, so Diana Pretzell, Leiterin der Abteilung Biodiversität beim WWF. „Ermittlungsbehörden müssen in Zukunft in die Lage versetzt werden, solche Straftaten besser zu verfolgen und aufzuklären.“

Vor gut fünf Monaten war ein 54-jähriger Landwirt und Jäger vom Amtsgericht Cham zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt worden. Der Tatvorwurf: Nachstellen und Töten mindestens eines Luchses in der Zeit vor dem 1. Juni 2014, außerdem der Besitz illegaler Waffen. Das Urteil war aufgrund von Indizien und Zeugenaussagen gefällt worden. Danach war die Verteidigung in Revision gegangen, um einen Freispruch zu erwirken. Auch die Staatsanwaltschaft hatte Rechtsmittel eingelegt: Sie hatte die Strafe für zu milde befunden.

Seit Jahren tote Luchse im Bayerischen Wald

Das große Interesse, das das Verfahren bundesweit erregt, hat zum einen damit zu tun, dass seit Jahren Luchse im Bayerischen Wald illegal getötet werden. Zum anderen damit, dass die bayerische Justiz diesen Fall von Artenschutzkriminalität mit nie dagewesener Akribie verfolgt hat.

So hatten die Ermittler das Haus des Verdächtigten durchsucht – und dabei Luchsohren und -krallen entdeckt. Deren DNA wurde mit der von vier abgetrennten Luchspfoten verglichen, die man im Jahr zuvor unweit des Anwesens des Angeklagten gefunden hatte. Diese Befunde wurden abgeglichen mit der tschechischen Luchs-Datenbank.

Außerdem gab es ein ballistisches Gutachten zu den Geschosspartikeln. Zwar konnte damals kein Zusammenhang zum Angeklagten hergestellt werden, dafür hatten die Ermittler bei der Durchsuchung diverse verbotene Waffen entdeckt sowie eine im Revier des Angeklagten versteckte Eisenfalle. Schmauchspuren an ihr hatten mit den unerlaubten Waffen übereingestimmt.

Der Hauptzeuge war 2016 in den Landkreis Cham gefahren, um dort Rotwild zu jagen. Dort habe der angeklagte Landwirt ihm sein Revier präsentiert und damit geprahlt, hier könne man auch den Luchs jagen, so der Zeuge. Der Landwirt habe auch erzählt, wie er selbst Luchse gefangen und getötet habe, eben in jener Metallfalle im Wald.

Der Angeklagte beharrte indes, dies sei nur „Jägerlatein“ gewesen. Den Eisenkäfig habe sein inzwischen verstorbener Vater als „Fuchsfalle“ betrieben. Das hatte ihm damals der Chamer Richter nicht geglaubt, da erstens die Falle für Füchse viel zu groß gewesen war, und zweitens der Vater zur fraglichen Zeitraum beinamputiert im Rollstuhl saß. In dem Eisenkäfig hatte die Polizei Rehhaare und Rehknochen gefunden gehabt – nach Überzeugung der Anklage als Köder gedacht.

Dünne Beweisdecke

Letztlich war die Beweisdecke zu dünn, um die Schuld des Angeklagten zweifelsfrei zu beweisen. Auch, so der Regensburger Richter, ließe sich ein Tatzeitpunkt nicht mehr feststellen. Damit könnte eine eventuelle Straftat schon verjährt sein. Und so entschied er „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten. Lediglich für den unerlaubten Waffenbesitz erhielt der Angeklagte eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro.

Trotz der Enttäuschung werteten Naturschützern es als Erfolg, dass überhaupt eine intensive Strafverfolgung stattfand. „Sie ist ein klares Signal, dass Naturschutzkriminalität kein Kavaliersdelikt ist“, so Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz, der bayerische Parterverband des NABU.

„Wer in Bayern ein geschütztes Wildtier vorsätzlich tötet, der muss damit rechnen, dass bei ihm um sechs Uhr morgens die Polizei zur Hausdurchsuchung anrückt.“ Ein positiver Effekt zeigt sich bereits: Seit Beginn der Ermittlungen sind im Bayerischen Wald die illegalen Tötungen an Luchsen zurückgegangen.

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