: Hausmusik im Handy
Kulturell laufen die sozialen Medien gerade zu großer Form auf
Von Marlene Militz
Jetzt übernehmen die Online-Angebote. Instagram zum Beispiel ist auf einmal voller Livemusik. Wegen Corona gibt es zwar keine Konzerte mit Publikum mehr, dafür aber viele Hauskonzerte von hochkarätigen Musikern, die sie auf Social-Media-Kanälen übertragen. So spielt der Pianist Igor Levitt jeden Abend ein bisschen Beethoven oder Schubert, während John Legend bei sich zu Hause in Springfield ebenfalls am Flügel sitzt. Seine Frau thront währenddessen in ein Handtuch gehüllt auf dem Piano, als wäre sie gerade aus der Dusche gestiegen, und hält ein Weinglas in der Hand, aus dem das Ehepaar gemeinsam trinkt. 114.000 Menschen schauen ihnen zu.
Kultur in Zeiten von Corona funktioniert anders. Nicht nur einzelne Musiker, sondern ganze Orchester nutzen die Möglichkeit, ihre Musik online zugänglich zu machen. So ist das Geisterkonzert der Kölner Philharmoniker vom 15. März, in dem das Orchester die Johannes-Passion von Bach spielte, mittlerweile zu einem viralen Hit geworden. Auf ihrem Streamingportal können weitere Konzerte kostenlos angesehen werden.
Nachdem die Kinos schließen mussten, wurden jetzt auch die Kurzfilmfesttage Oldenburg abgesagt. Doch die Veranstalter arbeiten bereits an einer Alternative für Online. „Wir sind der Auffassung, dass die Vermittlung von Kultur auch in einer gesellschaftlichen Krise aufrechterhalten werden kann und muss und dass wir gefordert sind, kreative Lösungen dafür zu finden“, sagt Festivalleiter Lars Henrik Gass.
Das Festival stellt sich außerdem der Verantwortung, die etwa 100 beteiligten freien Mitarbeiter:innen in Zeiten der Krise sozial abzusichern. „Wir appellieren jedoch an die Zuschussgeber und Förderer ebenso wie die Sponsoren, zeitnah zu reagieren und die teilweise existenzbedrohenden Honorarausfälle aufzufangen und Zusagen auch unter veränderten Vorzeichen einzuhalten“, sagt Gass.
Die Münchner Kammerspiele veröffentlichen jeden Tag eine andere Inszenierung aus ihrem Spielplan. Für 24 Stunden sind die Mitschnitte dann online abrufbar. Am Samstag ist ab 18 Uhr „Unheimliches Tal/Uncanny Valley“ von Stefan Kaegi zu sehen, am Sonntag folgt „Hamlet“.
Die Kunsthalle Baden-Baden hat neue Öffnungszeiten, nämlich 24/7. Sie bietet jetzt virtuelle Ausstellungsrundgänge an. Jeden Montag sollen neue Episoden des Audioguides mit Videomaterial aus dem dazugehörigen Ausstellungsraum zur Verfügung gestellt werden. Mittwochs werden dann die Ausstellungsteile gezeigt, die sich außerhalb der Kunsthalle befinden.
Am 29. April soll dann das virtuelle Highlight stattfinden: die digitale Vernissage der digitalen Ausstellung „Kunsthalle Revisited“. Darin wird die Geschichte der letzten 50 Jahre der Institution verhandelt. Wer sich früh genug anmeldet, kriegt zur Feier der Eröffnung eine kostenlose Prosecco-Flasche nach Hause geschickt.
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