Kommentar von Benno Schirrmeister über Hamburgs verwirrten Wirtschaftssenator: Senator gegen Grundgesetz
Darf sich eine Handelskammer (HK) zum Grundgesetz bekennen? „Klaro“, werden Sie sagen. Wozu denn sonst? Hamburgs Wirrkopfsenator Michael Westhagemann (parteilos) aber denkt darüber ganz anders.
Der nämlich – Senat contra Handelskammer, das spielt nie auf Sachbearbeiterebene – lässt seine Behörde Sturm laufen gegen einen Beschluss des HK-Plenums vom 6. Februar. Der hatte den Gründungskonsens der Bundesrepublik bekräftigt: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass jüdische oder ausländische UnternehmerInnen oder MitarbeiterInnen erneut in Deutschland diskriminiert werden“, so hatte es die Resolution formuliert. „Wehret den Anfängen!“ Schlimm?
Oh ja, findet die Behörde: So etwas dürfe das Plenum nicht beschließen, weil der HK „kein allgemeinpolitisches Mandat“ zustehe, hat sie als Rechtsaufsicht der Kammerspitze geschrieben, verbunden mit der Aufforderung, die Entschließung rückgängig zu machen. Das ist peinlich. Denn wahr ist zwar, dass sich die HK in politische Auseinandersetzungen nicht als Partei einmischen darf. Sie darf zum Beispiel nicht für eine Seite bei einem Volksbegehren agitieren. Das hat das Verwaltungsgericht 2015 festgestellt – und dieses Urteil muss Westhagemann, der damals noch in der Handelskammer aktiv und Chef-Lobbyist gegen den Rückkauf der Energienetze war, gekränkt haben. Er stand ja auf der Verliererseite. Motiviert das die Stellungnahme?
Egal. Denn so oder so bleibt sie ein Kurzschluss: Mit ihrer Resolution hat die HK nur die Treue zu allgemeinen Gesetzen und zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekräftigt. Die basiert darauf, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und niemand wegen seiner Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft benachteiligt werden darf.
Das ist nicht verhandelbar, also eben nicht politisch, sondern nur allgemein: Es definiert, was in Deutschland einschließlich Hamburg neutral bedeutet und worauf Staatsbedienstete, inklusive Senator*innen, einen Eid leisten müssen. Wer versucht, der Handelskammer Staatstreue zu verbieten, sollte eher vom Verfassungsschutz beobachtet werden, als Mitglied einer Landesregierung sein.seite
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen