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Mathematik in Geometrie gebannt

Mit „Machines to change the world“ von der spanischen Künstlerin und Medienpionierin Elena Asins blickt die Galerie KOW zurück auf die Anfänge der rechnergestützten Kunst

Von Sebastian Strenger

Algorithmen sind allgegenwärtig. Sie erschaffen unsere Welt. Virtuell und nicht visuell herrschen sie über Rechenprozesse bei Social-Media- und Cloud-Providern. Die reine Mathematik, die sich hinter den Erscheinungen des digitalen Zeitalters abspielt, bleibt für die Menschen oft unsichtbar. Für die Galerie KOW Berlin Anlass genug, um auf das Werk der spanischen Künstlerin Elena Asins (1940–2015) zu blicken.

Denn mit ihren Arbeiten finden die Betrachter:innen die Möglichkeit, einmal zurück an die Anfänge einer für alle Seiten großen Veränderung zu gehen. Während die Welt globalisierter wurde und in Berlin 1989 die Mauer fiel, war dies die Geburtsstunde von Asins bei KOW zu sehenden Arbeiten. Sie führen uns an den Anfang einer technologischen Revolution – dem Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter.

Der 300 Quadratmeter große White Cube mit seinen Neon-Röhren leuchtet sie aus – Zeichnungen, großformatig und durch Nadeldrucker auf Computer-Endlospapier entstanden. Das, was aus der Ferne betrachtet wie schwarze Farbklecksereien wirkt, ist durchdacht. Denn ihre Kunst entwickelte sie seit den 1960er Jahren, indem sie auf konzeptuell minimalistische Weise Gewissheiten aus der Welt der Mathematik sichtbar machte. Für die damals im faschistischen Spanien lebende Asins eine komplexe und innovativ radikale Idee von Kunst. Warum?

Hat eigentlich die heutige Software-Leistung auf Computern außerhalb von Server-Farmen und IT eine visuelle Form? Wohl kaum, würde man sagen, denn Betriebssysteme der Unternehmen des 21. Jahrhunderts besitzen keine Repräsentation in darstellender Form; ihnen fehlt es an öffentlicher Ästhetik. Dies aber macht das Werk von Asins heute so spannend. Nicht zuletzt ist es auch die Geschichte des Computers, den Konrad Zuse mit seinem Z3 als Vorgänger des heutigen Computers in Berlin-Kreuzberg entwickelte.

Die ersten Computer, konfiguriert mit ihren Plottern, ermöglichten es seit den 1960ern einer ganzen Generation heranwachsender Künstler, Computerkunst zu machen. Für Asins war dies der Eintritt in ihr Œuvre, welches von konkreter Poesie bis zur bildenden Kunst reicht. Kompositorisch streng und mit formaler Feinheit errechnete sie bereits seit 1966 ihre Algorithmen in Madrid, um ihr Zahlenwerk in geometrische Figurationen zu bannen.

Möglich wurde dies durch ein von IBM an die Universität Madrid geliefertes EDV-Zentrum, das fortan die Grundlage bildete, um interdisziplinär die Wirkung der Digitalisierung auf Philosophie, Architektur und Kunst zu erforschen. Und Asins bei KOW zu sehende Arbeiten nehmen diesen Geist auf. Sie sind innerhalb von Asins’ großen Zyklus „Canon“ entstanden und widmen sich auf bis zu 2 x 3 Metern der Philosophie Wittgensteins ebenso wie der Musik Mozarts.

Die vor vier Jahren im Alter von 75 Jahren verstorbene Künstlerin studierte zunächst Kunst an der École des Beaux-Arts Paris, Semiotik bei Max Bense an der Universität Stuttgart, bevor sie an die Complutense-Universität in Madrid ging, wo sie bis 1982 lehrte. Zu dieser Zeit war sie zudem eine der wenigen Vertreter:innen spanischer Kunst wie Picasso, Tàpies und Eduardo Arroyo, die von Spanien ins Ausland gingen, um ihr Werk weiterzuentwickeln. In jedem Fall aber war sie die einzige Frau ihrer Generation, die aus dem patriarchalen System Spaniens ausscherte und später an der New School for Social Research und an der Columbia-Universität in New York eine Professur für Computerkunst übernahm.

In etwa fünf Jahrzehnten brachte die Künstlerin Asins es auf rund 50 Einzelausstellungen weltweit, wobei ihr Werk zuletzt vor 30 Jahren in Deutschland ausgestellt wurde. Ein Wiedersehen in der KOW-Ausstellung auf der zweiten Ebene des Lofts macht es dem Besucher leicht. Ein Video führt in ihr Werk ein – es war auch der zugleich wichtigste Kurzfilm für die Ausstellung ihrer bislang größten Retrospektive „Fragments of Memory“ (2011) im Madrider Museum Reina Sofía. Heute befindet sich ihr gesamtes Œuvre, das bereits erstmals 1988 in Karlsruhe für ihr innovatives Werk der Medienkunst ausgezeichnet wurde, in diesem Museum.

Die beiden Galeristen, Söhne des jüngst verstorbenen österreichischen Künstlers Oswald Oberhuber, schließen von den hohen Besucherzahlen bereits auf ein großes Interesse in der Instagram-Generation. In jedem Fall liefert ein Besuch der Ausstellung die Möglichkeit, dem Beginn des Medienzeitalters nachzuspüren. Denn nachdem die Computerkunst einen großen Hype bis in die 1970er Jahre hatte, ermüdete das Interesse durch die fortschreitende Technisierung, aber auch wegen der damaligen Gesellschafts­kritik – künstliches Erzeugnis versus hohe handwerkliche Kunst. Das zu prüfen ist einen Besuch wert.

„Machines to change the word“, bis 14. März, KOW, Lindenstr. 35, Di.–Sa. 12–18 Uhr

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