das ding, das kommt
: Geschichte mit acht Armen

Täglich brennt eine weitere der acht Kerzen, darf aber nur an der neunten entzündet werden, der „Dienerkerze“: Der Chanukka-Leuchter des Braunschweiger Kaufmanns Benny Mielziner steht jetzt im dortigen Landesmuseum Foto: Museum

So ein aufwendig gestaltetes Exem­plar findet sich wohl nur noch in den Jüdischen Museen in New York und Brüssel: Aus massivem, strahlend goldenem Messing ist dieser Chanukka-Leuchter, seine Tragarme in antikisierend anmutendem Tierdekor, durch Steck- und Schraubverbindungen aller Bestandteile gefügt. Entworfen vermutlich in einer Nürnberger Silberschmiede, könnte er in einer süddeutschen oder böhmischen Manufaktur gefertigt worden sein. Den Fuß ziert eine Gravur: Dieser Leuchter ist ein Geschenk der jüdischen Leopold-Zunz-Loge an den Braunschweiger Kaufmann Benny Mielziner (1853–1926). Erhalten hat er ihn am 11. März 1923, zu seinem 75. Geburtstag.

Den Leuchter wollte sich das Braunschweigische Landesmuseum für seine Judaica-Sammlung nicht entgehen lassen, als er im vergangenen Jahr von einer niederländischen Privatperson zum Kauf angeboten wurde. Dieser Verkäufer hatte selbst der Herkunft des Objektes nachgespürt, wohl auch mit Nachfahren Mielziners Kontakt. Auf den Plan trat dann der Provenienzforscher Hansjörg Pötzsch, im wissenschaftlichen Verbund der Landesmuseen und des städtisches Museums in Braunschweig tätig: Ohne Herkunftsnachweis und den Abgleich mit der „Lost Art“-Datenbank zur Dokumentation von Raub- und Beutekunst und anderen einschlägigen Verzeichnissen würde das Museum gemäß Selbstverpflichtung nichts erwerben.

Wie der Leuchter in den Besitz des Verkäufers gekommen ist? „Unbekannt“, so Pötzsch. Die Nachfahren sprachen sich aber gegen eine Restitution aus und für eine Rückkehr nach Braunschweig. Den zügigen Ankauf ermöglichte dann die Hans-und-Helga-Eckensberger Stiftung; Hans Eckensberger war Journalist, ab 1946 Verleger sowie Herausgeber der Braunschweiger Zeitung und von 1927 bis 1951 in erster Eher mit der jüdischen Schauspielerin Margarete Friedmann verheiratet, die Stiftung fühlt sich jüdischer Kultur verpflichtet.

Jüdische Geschichte widergespiegelt

Wichtig ist der Chanukka-Leuchter für das achttägige häusliche Lichterfest, das zeitlich – grob gesagt – in die christliche Adventszeit fällt. „Chanukka“, Hebräisch für „Weihung“ oder „Einweihung“, erinnert an die Rückeroberung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt; hellenisierte Juden hatten ihn umgewidmet für einen Zeus-Kult. Im Tempel sollen die siegreichen Judäer einen siebenarmigen Leuchter vorgefunden haben, mit genug Öl nur noch für einen Tag. Neues herzustellen dauerte acht Tage – und wundersamerweise habe das Öl dann genau so lange gereicht.

An die Familie erinnert in Braunschweig heute ein Stolperstein am letzten Wohnort eines der fünf Kinder Benny Mielziners: Hier beging der Notar und Anwalt Bruno Mielziner 1937 Suizid, einen Tag nach dem Krebstod seiner Frau, Flora, der Braunschweiger Kliniken die stationäre Behandlung verweigert hatten. Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof an der Helmstedter Straße beigesetzt – neben Benny Mielziner. Weitere Familienmitglieder überlebten die NS-Verfolgung in den Niederlanden, Nachfahren leben heute in England, Israel, in den USA und Afrika.

Nach einer Neukonzeption der Judaica-Sammlung des Landesmuseums an seinem Standort Hinter Ägidien – Wiedereröffnung vor­aussichtlich im Herbst 2021 – wird der Chanukka-Leuchter dort einen prominenten Platz einnehmen. Direktorin Heike Pöppelmann sieht ihn als „ikonisches Objekt“, das exemplarisch lokale, nationale und globale jüdische Familiengeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts widerspiegele – die auch ganz aktuell gemahnen sollte. Ab sofort ist die Neuanschaffung in einer Vitrine im „Vieweg Salon“ des Museums-Haupthauses zu sehen. Bettina Maria Brosowsky

Braunschweigisches Landesmuseum,

Haupthaus, Burgplatz 1;

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