: Koschere Kamelle in Düsseldorf
Auf dem Düsseldorfer Rosenmontagszug fährt der „Toleranzwagen“ mit, ein gemeinsames Projekt von Juden, Muslimen, Protestanten und Katholiken
An den Seiten vier lachende, winkenden Figuren, die eine evangelische Pfarrerin, einen Rabbiner, einen Imam und einen katholischen Priester darstellen, dazu die Hauptgotteshäuser der drei Religionen und zwei Konfessionen in Düsseldorf: So sieht der „Toleranzwagen“ aus, der am Rosenmontag zum zweiten Mal durch die Straßen der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt rollen wird. „Die Idee dazu ist gewachsen“, erzählt Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde: „Als die evangelische Kirche im Luther-Jahr 2017 einen Luther-Wagen rollen ließ, habe ich mich gefragt – warum machen wir so etwas nicht auch?“
Ein Jahr später fuhr der erste jüdische Karnevalswagen überhaupt durch die Stadt. Entworfen vom berühmten Wagenbauer Jacques Tilly, betrachtete der Düsseldorfer Löwe 2018 darauf stolz einen entspannt zurückgelehnten Dichter – Heinrich Heine. „Wir feiern den größten jüdischen Sohn unserer Stadt“, stand groß daneben.
„Natürlich wollten wir damit ein Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus setzen“, sagt Szentei-Heise, Sohn einer Auschwitz-Überlebenden. „Seit fünf Jahren erleben wir aber auch ein Erstarken von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie“, erklärt der 65-Jährige. „Um dagegen ein gemeinsames Zeichen zu setzen, habe ich Vertreter der Kirchen und des Kreises der Düsseldorfer Muslime angesprochen“ – die Idee des Tolerananzwagens war geboren. 2019 rollte er erstmals. „Natürlich werden wir damit nicht die Zahl der AfD-Anhänger schlagartig reduzieren“, sagt Szentei-Heise – „aber wir machen klar, dass ihr Gedankengut falsch ist“.
Die Muslime werden auf dem Toleranzwagen in diesem Jahr vom Karnevalsverein Orient-Okzident-Express vertreten, bei dem auch viele schwule Männer mitmachen. „Im Karneval zieht man sich bunt an – doch bisher steckten unter den Kostümen von Sultan oder Winnetou oft Leute ohne Migrationshintergrund“, sagt Gründer Ataman Yildirim. „Wir wollen zeigen, wie vielfältig Deutschland ist“ – deshalb habe er den ersten muslimischen Karnevalsverein Deutschlands gegründet. „Wir wollen nicht nur reden, sondern ein Zeichen setzen“, sagt der Sozialpädagoge. „Im Türkischen gibt es ein Sprichwort: Mit leeren Worten kocht der Topf nicht.“
Zudem zeige der Orient-Okzident-Express, dass Migrant*innen selbstverständlich bei einem Brauchtum dabei sein könnten, das als typisch deutsch betrachtet werde, sagt Yildirim: Im Wappen des Vereins ist die Figur Nasreddin Hodschas zu sehen, der verkehrt herum auf einem Esel reitet und als Till Eulenspiegel der islamischen Welt gilt. Dennoch habe der Orient-Okzident-Express einen ernsten Hintergrund: „Indem wir beim im Rheinland sehr wichtigen Karneval dabei sind, stärken wir Integration und Demokratie“, erklärt der 42-Jährige – schließlich habe Thüringen gezeigt, „dass es ähnliche rassistische Narrative wie in der AfD auch in den sogenannten Parteien der Mitte gibt“. Andreas Wyputta
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