Rechtsextreme Partei in Schweden: Rassisten salonfähig?

Die konservativen Moderaten wollen mit den rassistischen Schwedendemokraten kooperieren. Die profitieren davon, dass ihre Themen nun Mainstream sind.

Porträt Ulf Kristersson mit Brille

Radikale Kehrtwende: Ulf Kristersson von den konservativen Moderaten Foto: Patrik Österberg/imago-images

STOCKHOLM taz | Hédi Fried ist zutiefst enttäuscht: „Er versprach mir, niemals, niemals mit denen irgendwie zusammenzuarbeiten“, berichtete die 95-jährige Psychologin und Auschwitz-Überlebende in einem Interview der Tageszeitung Dagens Nyheter. Mit „denen“ ist die 1988 von militanten Rassisten und Faschisten gegründete Partei Schwedendemokraten gemeint. Das Versprechen hatte ihr vor den Parlamentswahlen im Herbst 2018 der Vorsitzende von Schwedens Moderaten gegeben, Ulf Kristersson. Es dauerte weniger als ein Jahr, bis er sein Versprechen brach.

Gemeinsame Sache mit den rassistischen Schwedendemokraten zu machen gehört nun offenbar fest zur Politik seiner konservativen Oppositionspartei. Ein Jahrzehnt lang galt jegliche Zusammenarbeit mit dieser Rechtsaußenpartei allen anderen sieben Parlamentsparteien als No-Go. Im neuen Jahrzehnt soll das nicht mehr gelten. „Bürgerlich“ soll sich der Block nennen, zu dem man sich zusammentun will.

Was hat sich geändert? Jedenfalls nicht die Schwedendemokraten, auch wenn sie sich nun gern als „sozialkonservativ“ weißzuwaschen versuchen. Die Partei, die bei den letzten Wahlen auf 17,5 Prozent gekommen war, hat die Mehrheitsverhältnisse im Parlament gründlich verschoben. Wo vorher ein rot-grüner Block einer etwa gleich starken liberal-konservativen „Allianz“ gegenüberstand, sehen sich die Konservativen nun isoliert, weil die liberalen Parteien sich für eine Zusammenarbeit mit Rot-Grün entschieden haben.

Die „Moderaten“ glauben auf absehbare Zeit nur eine realistische Alternative zu haben, wieder an die Macht zu kommen: ein Rechts-rechtsaußen-Bündnis aus Konservativen, Christdemokraten und Rechtspopulisten.

Blau-Braun regiert schon in fünf Kommunen

Es gehe um Sachfragen, antwortet Ulf Kristersson auf Kritik. So eine Zusammenarbeit in Sachfragen sei „ganz normal“ in einem parlamentarischen System. Tatsächlich haben die Konservativen mit Kristersson an der Spitze aber eine Kehrtwende in der Charakterisierung der Schwedendemokraten vollzogen. Wo seine Amtsvorgängerin Anna Kinberg Batra ohne Wenn und Aber von einer „rassistischen Partei“ gesprochen hatte, will Kristersson „solche Etiketten nicht mehr gebrauchen“.

Wie gut das neue blau-braune Gespann miteinander kann, beweist es derzeit bereits in fünf Kommunen, wo es gemeinsam die Kommunalregierungen stellt – teilweise unter Führung der Schwedendemokraten. Die rangieren aktuell in Umfragen 7 Prozentpunkte vor den Konservativen und liefern sich mit jeweils 23 bis 24 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten um Platz 1.

Der Rechtsruck der anderen, die Übernahme vieler politischer Positionen der Schwedendemokraten und das Aufbrechen der Isolation der Rechtspopulisten kommt bislang also allein dieser Partei zugute. Und geht vor allem auf Kosten der Konservativen und Christdemokraten.

Kopieren Parteien die Politik der Konkurrenz, gewinnt dabei eben für gewöhnlich nicht die Kopie, sondern das Original. Dafür gebe es genügend Beispiele, sagt Jonas Hinnfors, Staatswissenschaftsprofessor an der Universität Göteborg. Einen solchen fatalen Kurs hätten nicht nur Schwedens Konservative eingeschlagen. Er könne nicht begreifen, warum das etwa auch die Sozialdemokraten täten: „Wäre ich Parteistratege, sähe ich hierzu keine Veranlassung.“

Sozialdemokraten als Law-and-Order-Partei?

Es stellt sich wirklich die Frage, was die Sozialdemokraten mit ihrem Versuch gewinnen wollen, sich als schärfste Law-and-Order-Partei zu profilieren. Sicher: Eine Reihe spektakulärer Gangkonflikte prägten in den vergangenen Monaten Teile der öffentlichen Debatte in Schweden. Von einem markanten Anstieg der Gewaltkriminalität kann allerdings keine Rede sein.

Was Ministerpräsident Stefan Löfven mit einem aktuellen Vorstoß signalisieren will, die Zahl der Flüchtlinge halbieren zu wollen, erscheint erst recht unverständlich. Mit nur 20.000 Asylsuchenden sind 2019 so wenige nach Schweden gekommen wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Tatsächlich hat Schweden derzeit andere Probleme. Die Klimapolitik ist eines davon, die unzureichende finanzielle Ausstattung großer Teile des Sozialsystems ein anderes.

Hédi Fried findet es „beunruhigend“, wie sich die Politik in Stockholm von einer Partei wie den Schwedendemokraten vor sich hertreiben lässt. Auch wenn es in Schweden glücklicherweise genügend Menschen gebe, „die keine autoritäre Gesellschaft wollen“, schade es doch nicht, einen Blick auf die Geschichte, etwa nach Deutschland, zu werfen. „Menschen sind so naiv“, sagt Fried. Sie hat Kristersson einen Brief geschrieben, in dem sie ihre Sorgen formulierte und ihn an sein Versprechen erinnerte: „Aber ich habe keine Antwort bekommen.“

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