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Bis der Stationsarzt heult

Beschäftigte des Uniklinikums Schleswig-Holstein warnstreiken für mehr KollegInnen und bessere Arbeitsbedingungen. Pflegekräfte berichten von gravierenden Mängeln

Von Esther Geißlinger

„Wir wollen nicht mehr Geld, sondern mehr Kollegen!“ Hunderte Pflegekräfte am Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sind in den Warnstreik getreten. Sie weisen auf Personalmangel­ hin und fordern, 420 neue Kräfte einzustellen. Das Klinikum, in dessen Standorten Kiel und Lübeck rund 10.000 Arbeitskräfte­ tätig sind, bietet 182 Stellen mehr. Das reiche keineswegs, sagt eine Pflegekraft, die der taz aus ihrem Arbeitsalltag berichtete: „Ich pflege nicht mehr mit gutem Gewissen. Die Lage ist ständig übel“, so die erfahrene­ Kraft, die auf einer Intensivstation arbeitet.

Jeden Morgen würde geschaut, „wie viele Betten wir fahren“ – also mit Kranken belegen – können, so die Pflegekraft.­ Regelmäßig müssten Betten gesperrt werden, weil Personal fehle. Um Frischoperierte unterbringen zu können, müssten daher Patienten ständig neu verteilt oder vorzeitig auf Normalstationen geschickt werden: „Nasse Verlegungen“, also mit noch nicht geschlossenen Wunden, seien normal, so die Pflegekraft, die seit den 1990er-Jahren­ in Kiel tätig ist und seither einen ständigen Abwärtstrend und wachsenden Einfluss wirtschaftlicher Argumente wahrnimmt: „Das UKSH als Maximalversorger soll Gewinn abwerfen – das kann nicht klappen.“

Der Druck, der vom Vorstand um Klinikchef Jens Scholz nach unten weitergegeben werde, sei immens, der Ton ruppig: „Wenn die Stationsärzte es nicht schaffen,­ Betten freizumachen, werden die so zusammengefaltet, dass der eine oder die andere heult und wir sie trösten müssen.“

Mit einem neuen Konzept, das wichtige Stationen und Funktionsbereiche enger zusammenrückt­ und zahlreiche technische Lösungen bietet, wollte das USKH mehr Komfort für die PatientInnen und Entlastung für die Beschäftigten erreichen. Doch das neue, 321 Millionen Euro teure Zentralgebäude in Kiel, das im August eingeweiht wurde, hat aus Sicht einiger Pflegekräfte die Lage eher noch verschlimmert.

Laut Mitteilung des UKSH handelt es sich dabei um eines „der europaweit modernsten Medizinzentren“ mit Wlan im ganzen Haus, einem Rohrpostsystem für Material und boulevard-­breiten „Magistralen“.­ Aber allein die schiere Größe mit 64.000 Quadratmetern Nutzfläche sorgen bei Pflegekräften nur noch für mehr Stress: „Wer plant so einen Quatsch?“ Befanden sich früher in der Intensivstation die Räume mit Medikamenten und Material dicht bei den Krankenzimmern, seien jetzt weitere Wege zu laufen: „Statt fünf Kilometern­ laufe ich pro Schicht zehn“, sagt die Pflegekraft.

Hinzu kommen bauliche Fehlplanungen: So herrschten in einem Raum, in dem Medikamente aufbewahrt werden, ständig 25 Grad: „Zu warm für viele Präparate.“ Im vergangenen Sommer sei es „drinnen so heiß wie draußen“ gewesen, aber die Fenster habe das Personal nicht öffnen dürfen. Hinzu kämen Baumängel, etwa bei den Automatik-Türen.

UKSH-Sprecher Oliver Grieve weist die Kritik zurück: „Baumängel gibt es bei solchen Großprojekte immer. Wir haben­ immer gesagt, dass es in der ersten Zeit ruckeln kann.“ Probleme etwa bei den Türen würden „umgehend abgestellt“, verspricht er. Auch die „Wärmeentwicklung auf der Intensiv“ sei nur am Anfang ein Problem gewesen. Und die weiten Wege? „Alle Stationen sind jetzt gleich groß. Wer früher auf einer kleinen Station­ gearbeitet hat, hat es jetzt weiter, aber für viele, die seinerzeit an der Peripherie gearbeitet haben, sind es jetzt kürzere Wege.“ Dass zeitweise Betten gesperrt würden, sei bedauerlich, aber normal.

Die Ver.di-Forderungen, neues Personal einzustellen, nennt das UKSH „unkonkret“ und warnt vor Versorgungsengpässen: Da so viele Fachkräfte nicht zu finden seien, müsste das UKSH die Hälfte seiner Betten abbauen – was der Schließung eines der Standorte gleichkäme. Dabei sei der Personalschlüssel mit 1,5 Kräften pro Bett höher als sonst im Land üblich. Die Pflegekraft widerspricht: In den vergangenen Jahren seien viele Pflegekräfte „vom Bett abgezogen“ worden und dafür neue Stellen in der Verwaltung entstanden: „Unser Organigramm war mal eine Pyramide,­ heute ist es fast ein Zylinder.“

Ver.di sieht im laufenden Warnstreik „eine deutliche Botschaft in Richtung UKSH-­Vorstand“, dem die Gewerkschaft eine „Desinformationskampagne“ vorwirft. Ziel sei ein Tarifvertrag, der den Beschäftigten eine deutliche Entlastung bringt. „Gleichzeitig ist dies auch ein Signal in Richtung des Landes Schleswig-Holstein, das als Eigentümer gut daran täte, dem UKSH-­Vorstand klare Vorgaben zu machen“, sagt Verhandlungsführer Steffen­ Kühhirt.­„Ansonsten werden wir uns sicher auch bald vor dem Landeshaus treffen.“

Während der Streiktage gilt eine Notdienstvereinbarung, so dass notwendige Behandlungen stattfinden können. Ver.di betont, dass die Streikleitungen „unverzüglich handeln, wenn eine schwierige Situation angezeigt würde“ und Personal zurück zur Arbeit schicken. Gegenüber der taz spotten Pflegekräfte: Der beste Moment, um sich im UKSH behandeln zu lassen, sei während der Streiktage. Denn die Notdienstvereinbarung sieht für einige Stationen mehr Personal vor, als im Alltag dort tätig seien.

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